rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausbildung bei gleichzeitiger Ableistung des Zivildienstes
Leitsatz (redaktionell)
Es besteht kein Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat, wenn das Kind neben der Ausbildung seinen Zivildienst ableistet.
Normenkette
EStG § 63 Abs. 1, 1 Sätze 1, 1 Nr. 1, S. 2, § 32 Abs. 4, 4 Sätze 1, 1 Nr. 2, Abs. 5, 5 Sätze 1, 1 Nr. 1
Tatbestand
Es ist zu entscheiden, ob für ein Kind, das das 18. aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat und neben seinem Studium seinen Zivildienst leistet, ein Anspruch auf Kindergeld besteht (§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 i. V. m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a), Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG).
Am 23.11.1976 wurde der Sohn A (A.S.) der Klägerin (Klin.) geboren. Seit dem 01.10.1994 ist die Klin. in den Städtischen Kliniken D – Beklagte (Bekl.) – beschäftigt. Antragsgemäß gewährte die Bekl. der Klin. seit dem 01.10.1994 Kindergeld für deren Sohn A.S. Nachdem A.S. am 28.06.1996 die Fachhochschulreife erlangte hatte, studierte er an der Fachhochschule D seit dem Wintersemester 1996/97 Sozialpädagogik. Seit dem 04.08.1997 leistete er seinen Zivildienst im Westfälischen Zentrum für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in D. Der Zivildienst war am 31.08.1998 beendet. Während der Zeit seines Zivildienst blieb A.S. als Student der Sozialpädagogik an der Fachhochschule D eingeschrieben. Nachdem die Klin. angezeigt hatte, daß ihr Sohn A.S. am 04.08.1997 seinen Zivildienst angetreten hatte, hob der Bekl. mit Bescheid vom 04.12.1997 die Festsetzung des Kindergeldes für die Zeit ab September 1997 nach § 70 Abs. 2 EStG auf. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.
Im Klageverfahren verfolgt die Klin. ihr Begehren weiter. Die Ausbildung ihres Sohnes A.S. habe Vorrang. Dessen Zivildienst sei ein Praktikum zu seiner Ausbildung als Sozialpädagoge.
Die Klin. beantragt sinngemäß,
ihr unter Aufhebung des Bescheids vom 04.12.1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung (EE) vom 09.05.2000 für ihren Sohn A.S. weiter Kindergeld zu zahlen.
Der Bekl. beantragt sinngemäß,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die Kindergeldakte verwiesen.
Der Berichterstatter entscheidet im Einverständnis der Beteiligten anstelle des Senats (§ 79 a Abs. 3 und 4 FGO) ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Der Bekl. hat zu Recht mit Bescheid vom 04.12.1997 die Festsetzung des Kindergeldes für A.S. seit dem Monat September 1997 aufgehoben.
Soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten, ist die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern (§ 70 Abs. 2 EStG).
Im Streitfall waren in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, dadurch Änderungen eingetreten, daß A.S. vom 04.08.1997 bis zum 31.08.1998 neben seinem Studium der Sozialpädagogik an der Fachhochschule Dseinen Zivildienst im Westfälischen Zentrum für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Dleistete. Die Klin. hatte für die Zeit des Zivildienstes des A.S. vom 04.08.1997 bis 31.08.1998 keinen Anspruch auf Kindergeld für A.S.
In diesem Zeitraum wurde A. S., der damals das 18. aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hatte, nicht für einen Beruf ausgebildet (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG). Der BFH, Urteil vom 09.06.1999 VI R 33/98, BStBl. II 1999, 701 hat entschieden, daß sich in Berufsausbildung befindet, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet. Dazu dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Ausbildungsmaßnahme in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben ist oder – mangels solcher Regelungen – jedenfalls dem Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten dienen muß, die für den angestrebten Beruf zwingend notwendig sind. Denn den Eltern und dem Kind kommt bei der Gestaltung der Ausbildung von verfassungswegen ein weiter Entscheidungsspielraum zu. Kindern muß daher zugebilligt werden, zur Vervollkommnung und Abrundung von Wissen und Fähigkeiten auch Maßnahmen außerhalb eines fest umschriebenen Bildungsgangs zu ergreifen. Unerheblich ist schließlich auch, ob die Ausbildungsmaßnahme die Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend in Anspruch nimmt. Die Auslegung der Formulierung „für einen Beruf ausgebildet” in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG hat vielmehr den Sinn und Zweck des seit 1. Januar 1996 geltenden steuerrechtlichen Kindergelds zu berücksichtigen, das Existenzminimum eines Kindes von der Besteuerung auszunehmen, weil durch den kindbedingten Aufwand die steuerliche Leistungsfähigkeit der Elter...