Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltszahlungen an verheiratetes Kind als außergewöhnliche Belastungen
Leitsatz (redaktionell)
1) Hat der Steuerpflichtige Zahlungen für eine ihm gegenüber unterhaltsberechtigte Person (hier: verheiratetes Kind, das Regelstudienzeit weit überschritten hat) geleistet und liegen auch die weiteren Voraussetzungen des § 33a Abs. 1 EStG vor, dann sind diese Zahlungen unabängig von einer zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
2) Im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen ist eine Steuerermäßigung schon dann zu gewähren, wenn die Unterhaltsverpflichtung (nur) potentiell vorliegt.
Normenkette
EStG § 12 Nr. 2; BGB §§ 1589, 1601, 1606, 1608; EStG § 33a Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist die Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastung.
Die Klägerin erzielte im Streitjahr 1998 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als technische Angestellte mit einem Bruttoarbeitslohn von 84.341,– DM. In ihrer Einkommensteuererklärung beantragte sie, Unterhaltszahlungen an ihren verheirateten Sohn in Höhe von 12.000,– DM als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Sie gab an, ihr 1965 geborener Sohn lebe mit Ehefrau und Kind in einem eigenen Haushalt und studiere an der Universität……… Die Ehefrau des Sohnes werde von ihren Eltern unterhalten, da sie ebenfalls noch Studentin sei.
Die Einkünfte des Sohnes betrugen im Streitjahr 1.200 DM (Einnahmen 3.200.– DM, gemindert um Werbungskosten von 2.000,– DM).
Der Beklagte ließ die Unterhaltszahlungen unberücksichtigt. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos.
Die Klägerin meint, sie sei nachweislich für den Unterhalt ihres Sohnes aufgekommen. Ihr stehe deshalb ein Unterhaltsfreibetrag gemäß § 33a Einkommensteuergesetz (EStG) zu.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1998 vom 15.03.2000 idF der Einspruchsentscheidung vom 07.11.2000 Unterhaltsaufwendungen von 12.000,– DM zu berücksichtigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, der Sohn der Klägerin sei im Streitjahr nicht mehr unterhaltsberechtigt gewesen. § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1996 setze nicht nur Verwandtschaft in gerader Linie voraus. Vielmehr müsse die unterhaltene Person auch – zivilrechtlich – bedürftig sein. Die Unterhaltspflicht bzw. – berechtigung reiche danach grundsätzlich nur bis zum Regelabschluß eines Studiums (Palandt, 60. Aufl. § 1610 BGB Rz 22). Im Streitfall habe der im Streitjahr 33-jährige Sohn der Klägerin die Regelabschlußzeiten für ein rechtswissenschaftliches Studium weit überschritten.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Beklagte hat zu Unrecht die beantragte Steuerermäßigung gemäß § 33a Abs. 1 EStG (in der für das Streitjahr geltender Fassung) nicht gewährt.
Nach dieser Vorschrift kann eine Steuerermäßigung nur für Aufwendungen beansprucht werden, die gegenüber einer „gesetzlich unterhaltsberechtigten Person” erfolgen. Gemeint ist damit die familienrechtliche Unterhaltsberechtigung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Der Gesamtbetrag der Einkünfte ermäßigt sich hiernach um bis zu 12.000,– DM, wenn die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen der Abgeltung der Unterhaltsansprüche des Ehegatten (§§ 1360 ff und §§ 1569 ff. BGB – Unterhaltspflicht während der Ehe bzw. nach Scheidung –) und der in gerader Linie verwandten Personen (§§ 1601 ff., 1589 BGB – Eltern/Kinder) dienen.
Für einen Rückgriff auf das Zivilrecht über die Frage der potentiellen Unterhaltsberechtigung hinaus trifft die Vorschrift des § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG keine Regelung (vgl. Schmidt/Glanegger, EStG, 20. Aufl., § 33a Rz 19). Das Jahressteuergesetz 1996 hat das Erfordernis der gesetzlichen Unterhaltsberechtigung eingeführt, um den Abzug von Unterhaltsaufwendungen bei nicht oder nicht näher Verwandten aufzuheben (vgl. Müller, FR 1997, 705, 711). Hat der Steuerpflichtige, wie hier die Klägerin für ihren Sohn, Zahlungen für eine ihm gegenüber unterhaltsberechtigte Person geleistet, dann stellt dieser Betrag unabhängig von einer zivilrechtlichen Verpflichtung bis zum Höchstbetrag einen außergewöhnlichen Aufwand dar, der zur Minderung der (steuerlichen) Leistungsfähigkeit führt. Liegen wie im Streitfall auch die weiteren Voraussetzungen des § 33a Abs. 1 EStG vor, nämlich eigene Einkünfte und Bezüge des Unterhaltsberechtigten von nicht mehr als 1.200,– DM und Einhaltung der Opfergrenze (Schmidt/Glanegger, a.a.0.), ist die Steuerermäßigung ungeachtet der zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung zu gewähren. Nach Auffassung des Senats ist es nicht Aufgabe der Finanzverwaltung, über die zivilrechtliche Unterhaltsberechtigung hinaus einzelnen Umständen für eine zivilrechtliche Unterhaltsverpflichtung nachzugehen. Demzufolge verweisen auch die Richtlinien (R 190 Abs. 1 EStR 1996) lediglich auf Vorschriften, die wie die §§ 1601, 1606 und 1608 BGB die Unterhaltsberechtigung bzw. die Reihenfolge der Unterhaltsverpflichtung b...