Schonvermögen beim Abzug von Unterhaltsleistungen

Die Wertgrenze i.H.v. 15.500 EUR (R 33a.1 Abs. 2 Satz 3 EStR) für "ein geringes Vermögen" i.S.d. § 33a Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 EStG (sogenanntes Schonvermögen) ist für das Streitjahr 2019 nicht zu beanstanden. Angesparte und noch nicht verbrauchte Unterhaltsleistungen werden grundsätzlich erst nach Ablauf des Kalenderjahres ihres Zuflusses zu (abzugsschädlichem) Vermögen.

Hintergrund: Gesetzliche Regelung

Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, wird nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Streitjahr 2019 geltenden Fassung auf Antrag die Einkommensteuer – unter bestimmten Voraussetzungen – dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 9.168 EUR im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Voraussetzung ist u.a., dass weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder auf Kindergeld für die unterhaltene Person hat und die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt.

Sachverhalt: Wertgrenze für unschädliches Vermögen

Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2019 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten sie im Zeitraum 1.1. bis 30.9.2019 geleistete Unterhaltszahlungen an ihren während dieser Zeit auswärts studierenden Sohn (S) i.H.v. 10.537 EUR als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG geltend. Die Unterhaltszahlungen setzten sich aus Mietzahlungen i.H.v. 3.905 EUR, Zahlungen für den Lebensunterhalt i.H.v. 4.500 EUR (mtl. 500 EUR) sowie für Bekleidung i.H.v. 690 EUR (mtl. 76,69 EUR), Zahlungen für die Kranken- und Pflegeversicherung i.H.v. 1.123 EUR sowie die Zahlung für die Einschreibegebühr der Universität i.H.v. 319 EUR zusammen.

Den Lebensunterhalt (500 EUR) für den Monat Januar überwiesen die Kläger S bereits am 28.12.2018.

Nachdem das Finanzamt (FA) die Kläger im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung aufgefordert hatte, die einzelnen Zahlungen sowie das Vermögen des Sohnes durch geeignete Unterlagen nachzuweisen, ergaben sich aus den vorgelegten Bestätigungen der Sparkasse für die Konten des S Saldenstände von 15.950,91 EUR (1.1.2019) bzw. 16.216,95 EUR (30.9.2019).

Das FA lehnte die Berücksichtigung der von den Klägern geltend gemachten Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastungen ab, weil S ausweislich der Saldenbestätigungen der Sparkasse über mehr als den in R 33a.1 Abs. 2 EStR genannten Betrag von 15.500 EUR verfügt und damit nicht nur ein geringes Vermögen i.S.v. § 33a Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 EStG besessen habe.

Das Finanzgericht (FG) folgte der Auffassung des FA und wies die erhobene Klage ab.

Im Revisionsverfahren begehrten die Kläger die Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen i.H.v. 9.414 EUR sowie Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung ihres Sohnes i.H.v. 1.123 EUR als außergewöhnliche Belastungen.

Entscheidung: BFH gibt den Klägern teilweise Recht

Der Gesetzgeber geht typisierend davon aus, dass eine Unterhaltsbedürftigkeit nicht gegeben ist und damit Unterhaltsaufwendungen nicht zwangsläufig anfallen, wenn der Empfänger eigenes, nicht nur geringfügiges Vermögen hat. Denn der Unterhaltsberechtigte steht grundsätzlich in der Pflicht, eigenes Vermögen im Rahmen des Zumutbaren für seinen Unterhalt einzusetzen und zu verwerten, und zwar ungeachtet der Art der Anlage gegebenenfalls auch durch Substanzverbrauch.

Schonvermögen

Ob der Unterhaltsempfänger über kein oder nur ein geringes Vermögen i.S.d. § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG verfügt (sogenanntes Schonvermögen), ist unabhängig von der Anlageart nach dem gemeinen Wert des Vermögens beziehungsweise dessen Verkehrswert zu entscheiden; ein Wert von bis zu 15.500 EUR ist in der Regel gering.

Wertgrenze gilt auch noch für 2019

An dieser, von den Finanzbehörden bereits seit 1975 angewandten Wertgrenze (R 33a.1 Abs. 2 Satz 3 EStR), an der sich bislang auch die finanzgerichtliche Rechtsprechung orientiert hat, hält der BFH auch für das Streitjahr 2019 fest.

Denn ein Vermögen oberhalb dieser Wertgrenze lässt die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers bei typisierender (steuerlicher) Betrachtung auch im Jahr 2019 entfallen. Dies folgt aus dem Umstand, dass dieser Betrag deutlich über dem für den Veranlagungszeitraum 2019 geltenden Grundfreibetrag i.H.v. 9.168 EUR (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG) liegt und damit zur Sicherung des (Jahres-)Existenzminimums des Unterhaltsberechtigten ausreicht.

Unterhaltszahlungen dem Grunde nach außergewöhnliche Belastungen

Nach diesen Rechtsgrundsätzen sind die von den Klägern geltend gemachten Unterhaltsaufwendungen dem Grunde nach gemäß § 33a Abs. 1 EStG als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

So ist unstreitig, dass S gegenüber den Klägern im Streitjahr zivilrechtlich unterhaltsberechtigt war. Auch stand weder den Klägern noch einem Dritten für S ein Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder auf Kindergeld zu.

Überdies verfügte S entgegen der Auffassung des FA im maßgeblichen Zeitraum vom 1.1. bis 30.9.2019 lediglich über ein geringes Vermögen i.S.d. § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG. Denn auf Basis der vorgelegten Saldenbestätigungen der Sparkasse lag es nach Bereinigung um Unterhaltsleistungen unterhalb der nach den vorstehenden Ausführungen maßgeblichen Wertgrenze von 15.500 EUR.

Unterhaltsleistungen sind in die Berechnung des Vermögens nicht einzubeziehen

Unterhaltsleistungen sind nicht in die Berechnung des Vermögens i.S.d. § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG einzubeziehen. Denn es handelt sich hierbei um die notwendigen Mittel zur Deckung des Lebensbedarfs. Sie sind zum Verbrauch bestimmt und nicht zur Vermögensbildung vorgesehen. Unterhaltszahlungen lassen die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers nicht entfallen, sie sind ihr vielmehr geschuldet. Dies gilt auch für solche Unterhaltszahlungen, die vom Unterhaltsempfänger bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraums beziehungsweise bis zum unterjährigen Ende der gesetzlichen Unterhaltspflicht angespart und noch nicht verbraucht werden. Gesetzliche Unterhaltszahlungen, die dazu gedacht sind, eine zivilrechtlich unterhaltsberechtigte Person dazu zu befähigen, die Kosten ihres Lebensunterhalts zu bestreiten, können vor diesem Hintergrund nicht bereits im Zeitpunkt des Zuflusses dem (abzugsschädlichen) Vermögen i.S.d. § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG zugeordnet werden.

Abzugsschädliches Vermögen erst nach Ablauf des Zuflussjahres

Angesparte und noch nicht verbrauchte Unterhaltsleistungen werden grundsätzlich erst nach Ablauf des Kalenderjahres ihres Zuflusses zu (abzugsschädlichem) Vermögen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass Unterhaltsleistungen regelmäßig nicht monatsgetreu, sondern im Jahresverlauf schwankend verbraucht werden.

Nach diesen Maßstäben ist das vom FA ermittelte Vermögen des S jeweils um die monatlichen Unterhaltszahlungen (vgl. § 33a Abs. 3 EStG) der Kläger – und damit um die Beträge für den Lebensunterhalt (mtl. 500 EUR) und für Bekleidung (mtl. 76,69 EUR) – zu mindern. Die Miete wurde von den Klägern unmittelbar an die Vermieterin gezahlt und war daher nicht zu berücksichtigen.

Die Minderung des Vermögens des S ist auch im Hinblick auf die bereits am 28.12.2018 von den Klägern geleistete Zahlung für den Lebensunterhalt für Januar 2019 vorzunehmen. Die Zahlung gilt nach § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG dem S als im Kalenderjahr 2019 zugeflossen. Sie gehört auch wirtschaftlich betrachtet zum Streitjahr, da laufender Kindesunterhalt zivilrechtlich nach § 1612 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 BGB durch Entrichtung einer Geldrente im Voraus zu leisten ist. Somit ist das für den 1.1.2019 auf Basis der Banksalden errechnete Vermögen jedenfalls um 500 EUR zu mindern, sodass S zu Beginn des Streitjahres ein Vermögen i.S.d. § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG i.H.v. maximal 15.450,91 EUR besaß.

Dieses Vermögen ist im streitigen Zeitraum auch nicht auf einen Betrag von über 15.500 EUR angewachsen. Der vom FA auf Basis der Banksalden errechnete Vermögenszuwachs des S beruht allein auf "unschädlich" angesparten Beträgen aus nicht verbrauchten Unterhaltszahlungen des Streitzeitraums. Denn es ist nicht ersichtlich, dass im maßgeblichen Zeitraum Zuführungen aus anderen Quellen (wie z. B. aus Schenkungen oder Arbeitseinkünften) in das Vermögen des S erfolgt sind.

Nur teilweise Klagestattgabe

Die Unterhaltsaufwendungen der Kläger sowie ihre Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung des Sohnes können indes nur i.H.v. insgesamt 7.999 EUR als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden, sodass die Klage i.H.d. diesen überschreitenden Betrages abzuweisen war.

Ermäßigung des Höchstbetrages um 3/12

Unterhaltsaufwendungen können nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG bis zur Höhe des Grundfreibetrags nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG – im Streitjahr 9.168 EUR – abgezogen werden. Nach § 33a Abs. 3 Satz 1 EStG ermäßigt sich dieser Höchstbetrag um 3/12 auf 6.876 EUR, da die Kläger die Unterhaltsaufwendungen nur während des Studiums ihres Sohnes in den Monaten Januar bis September getragen haben. Der Höchstbetrag erhöht sich nach § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG noch um die von den Klägern in den Monaten Januar bis September aufgewandten Beiträge für die Basisabsicherung der Kranken- und Pflegeversicherung des S i.H.v. 1.123 EUR und beträgt damit insgesamt 7.999 EUR.

BFH, Urteil v. 29.2.2024, VI R 21/21; veröffentlicht am 20.6.2024

Alle am 20.6.2024 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen