Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Differenzkindergeld, anderer Elternteil im EU-Ausland
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Anspruch auf Kindergeld steht einem im Inland wohnenden abhängig Beschäftigten auch für ein Kind zu, das beim anderen Elternteil in einem EU-Staat (hier Spanien) wohnt. Der Anspruch besteht in diesem Fall jedoch nicht in vollem Umfang, wenn der ausländische Kindergeldanspruch des im EU-Staat erwerbstätigen anderen Elternteils vorgeht.
2) Maßgeblich für die Frage, wodurch der Kindergeldanspruch ausgelöst wird, ist aufgrund welchen Tatbestands die berechtigte Person den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedsstaats nach Art. 11 bis 16 der VO EG Nr. 883/2004 unterstellt ist (gegen FG München, Urt. v. 7.8.2012 - 12 K 1488/11, EFG 2012, 2214).
3) Ein hiernach bestehender Anspruch auf Differenzkindergeld ist nicht gemäß Art. 68 Abs. 2 Satz 2 VO EG 883/2004 ausgeschlossen, wenn der deutsche Kindergeldanspruch durch eine Erwerbstätigkeit ausgelöst wird.
4) Auch die Aufnahme des Kindes in den EU-ausländischen Haushalt des anderen Elternteils führt nicht zum Anspruchsausschluss nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG, wenn der andere Elternteil kein inländischer Kindergeldberechtigter ist; ein Kindergeldanspruch des anderen Elternteils kann auch nicht über Art. 60 Abs. 1 Satz 2 VO EG Nr. 987/2009 fingiert werden (gegen FG Bremen, Urt. v. 10.11.2011 - 3 K 26/11 (1), EFG 2012, 143).
5) Einem Ausschluss des Anspruchs auf Differenzkindergeld aufgrund Gewährung dem deutschen Kindergeld vergleichbarer Leistungen im EU-Staat steht die Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45, 48 AEUV) entgegen.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 64 Abs. 2 S. 1, § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; VO EG Nr. 883/2004 Art. 11 Abs. 3 lit. a), Art. 67, 68 Abs. 1 lit. b) Ziff. i), Abs. 2 S. 1 Hs. 2, S. 2; VO EG Nr. 987/2009 Art. 60 Abs. 1 S. 2; AEUV Art. 45; EStG § 32 Abs. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Festsetzung von Kindergeld für die in Spanien bei der Mutter lebenden Kinder des Klägers.
Der Kläger ist Vater der vier Kinder B. (geb. xx.xx.1996), T. (geb. xx.xx.1999), E. (geb. xx.xx.2002) und G. (geb. xx.xx.2003). Er ist seit dem 1.3.2010 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut der X-Universität C-Stadt beschäftigt. Die beiden Söhne leben seit 2004 bei ihrer Mutter in Spanien, die dort als Physiotherapeutin erwerbstätig ist, während die Töchter beim Kläger in L-Stadt wohnen.
Die Familienkasse T-Stadt lehnte den Kindergeldantrag des Klägers für alle vier Kinder zunächst mit der Begründung ab, dass die Kindsmutter aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit in Spanien den vorrangigen Kindergeldanspruch habe. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies die Familienkasse T-Stadt als unbegründet zurück und forderte den Kläger zugleich auf, einen Antrag auf Zahlung des Differenzkindergeldes zu stellen. Diesen Antrag stellte der Kläger für alle vier Kinder ab März 2010. Für die beiden Töchter B. und T. zahlte die Familienkasse T-Stadt daraufhin Kindergeld rückwirkend ab März 2010 in Höhe von jeweils 184,– EUR monatlich an den Kläger aus.
Für die beiden Söhne E. und G. lehnte die Familienkasse T-Stadt die Kindergeldfestsetzung ab Mai 2010 ab. Zur Begründung gab sie an, dass der Kindergeldanspruch des Klägers nach § 64 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgeschlossen sei, da die Mutter die Kinder in ihren Haushalt aufgenommen habe. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren beim Finanzgericht Münster erhobene Klage (Az. 4 K 812/12 Kg) hatte insoweit Erfolg, als dem Kläger das sog. Differenzkindergeld für seine beiden Söhne bis einschließlich Februar 2012 gewährt wurde. Auf das rechtskräftige Urteil des Senats vom 30.11.2012 wird Bezug genommen.
Den ab März 2012 gestellten Kindergeldantrag lehnte die Familienkasse T-Stadt wiederum mit der Begründung ab, dass die Kindsmutter die Kinder in ihren Haushalt aufgenommen und deshalb den vorrangigen Kindergeldanspruch habe. Mit seinem hiergegen eingelegten Einspruch stellte der Kläger klar, dass er lediglich das Differenzkindergeld beanspruche, und berief sich auf das Urteil vom 30.11.2012. Die Familienkasse T-Stadt wies den Einspruch als unbegründet zurück, weil die Kinder nicht im Haushalt des Klägers lebten.
Mit seiner hiergegen erhobenen Klage nimmt der Kläger erneut Bezug auf das Verfahren 4 K 812/12 Kg.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 18.2.2013 und der Einspruchsentscheidung vom 11.3.2013 zu verpflichten, ab März 2012 Kindergeld für E. in Höhe von 165,75 EUR und für G. in Höhe von 190,75 EUR monatlich festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 A...