Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Haftung gemäß § 74 AO bei Zugehörigkeit des einem Unternehmen dienenden Gegenstandes (Erbbaurecht) zu einem Gesamthandsvermögen
Leitsatz (amtlich)
Das Erbbaurecht als grundstücksgleiches Recht erfüllt den Gegenstandsbegriff des § 74 AO.
Die in § 74 AO konzipierte Ausfallhaftung greift bereits dann ein, wenn eine wesentlich an einem Unternehmen beteiligte Person durch eine von ihrem Willen getragene Gebrauchsüberlassung eines Gegenstandes bei der Unternehmensführung mitwirkt, auch wenn der Gegenstand zu einem Gesamthandvermögen gehört.
Normenkette
AO § 74
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob das Finanzamt zu Recht den Kläger als Eigentümer im Sinne von § 74 AO für Umsatzsteuerschulden der Firma X GmbH & Co. KG in Anspruch genommen hat.
Der Kläger war mit einem Gesellschaftsanteil von 37,5 % als Kommanditist an der Firma X GmbH & Co. KG beteiligt. Geschäftsführender Komplementär war die Firma A GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer B , C , D , E und F , jeweils mit Einzelvertretungsbefugnis. Der Kläger war nicht Geschäftsführer.
Die Firma X GmbH & Co. KG betrieb einen Autohandel auf dem Grundstück G in H . Dieses Grundstück steht seit 02.07.2002 im Eigentum der Firma von I GmbH & Co. KG J . Vorherige Eigentümerin war K in L . Das Grundstück ist mit einem Erbbaurecht mit Veräußerungsbeschränkung durch Zustimmung des Grundstückseigentümers zugunsten der Firma M GmbH H belastet, die mit notarieller Vereinbarung vom 24.08.1999 durch Formwechsel in die Firma N GmbH & Co. KG umgewandelt wurde. Der Formwechsel wurde am 03.01.2000 in das Handelsregister eingetragen. Komplementär der Firma N GmbH & Co. KG ohne Kapitalanteil ist die Firma O GmbH P , an der der Kläger, ebenso wie B , zu 50 % beteiligt ist. Zudem ist der Kläger, ebenso wie B , als Kommanditist zu 50 % an der Firma N GmbH & Co. KG mit einer Hafteinlage von 1.250.000 € beteiligt. Die Firma N GmbH & Co. KG überließ das Grundstück G in H mit Gebäuden pachtweise der Firma X GmbH & Co. KG zum Betrieb des Autohandels.
Die Firma X GmbH & Co. KG wurde im Oktober 2001 zahlungsunfähig. Am 16.10.2001 wurde aufgrund des eigenen Antrages ihrer Geschäftsführer zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens Rechtsanwalt Q H zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Vom Insolvenzgericht wurde angeordnet, dass Verfügungen der Firma X GmbH & Co. KG nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. InsO).
Über das Vermögen der Firma X GmbH & Co. KG wurde durch Beschluss des Amtsgerichts H vom 01.01.2002 um 12.00 Uhr das Insolvenzverfahren eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt stand die Umsatzsteuer für 2000 noch i.H.v. 2.170,35 € offen. Aufgrund der Feststellungen einer Umsatzsteuersonderprüfung im Februar 2002 ergaben sich infolge von Vorsteuerberichtigungen wegen der Zahlungsunfähigkeit Umsatzsteuernachforderungen für Dezember 2001 i.H.v. 1.725.886,10 €. Nach einer weiteren Umsatzsteuerprüfung (Bericht vom 03.06.2003) wurde für das Jahr 2001 eine Umsatzsteuer von 1.192.828,11 € festgestellt. Die noch offene Umsatzsteuerschuld für 2001 in Höhe von 640.767,91 € meldete das Finanzamt zur Insolvenztabelle an.
Nach erfolgter Anhörung erließ das Finanzamt gegenüber dem Kläger am 24.05.2004 einen Haftungsbescheid wegen rückständiger Umsatzsteuer für 2000 der Firma X GmbH & Co. KG i.H.v. 2.170 € gem. § 74 AO und beschränkte die Haftung gegenständlich auf das Erbbaurecht am Grundstück G in H . Zugleich in dem Haftungsbescheid erließ es die Zahlungsaufforderung nach § 219 AO zur Zahlung der Haftungsschuld.
Weiter erließ es am 24.05.2004 gegenüber dem Kläger einen Haftungsbescheid wegen Umsatzsteuer für Dezember 2001 der Firma X GmbH & Co. KG i.H.v. insgesamt 602.155 € gem. § 74 AO und beschränkte die Haftung gegenständlich auf das Erbbaurecht am Grundstück G in H . Zugleich in dem Haftungsbescheid erließ es die Zahlungsaufforderung nach § 219 AO zur Zahlung einer Haftungsschuld von nur 2.170 €.
Hiergegen legte der Kläger fristgerecht Einsprüche ein. Den Einspruch gegen den Haftungsbescheid wegen Umsatzsteuer 2000 mit Zahlungsaufforderung wies das Finanzamt mit der Entscheidung vom 26.03.2007 als unbegründet zurück.
Gegen den Haftungsbescheid für Umsatzsteuer 2000 mit Zahlungsaufforderung in Gestalt der Einspruchsentscheidung hat der Kläger Klage erhoben, gegen den Haftungsbescheid wegen Umsatzsteuer für 2001 mit Zahlungsaufforderung hat er Untätigkeitsklage erhoben. Am 11.10.2007 erging die Einspruchsentscheidung wegen Haftungsbescheid für Umsatzsteuer 2001 mit der das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurückwies. Die Zahlungsaufforderung vom 24.05.2004 hinsichtlich der Haftungsschuld wegen Umsatzsteuer 2001 nahm das Finanzamt in der mündlichen Verhandlung zurück.
Der Kläger beantragt zuletzt, den Haftungsbescheid für Steuerschulden der Firma X GmbH & Co. KG wegen Umsatzsteuer für 2000 vom 24.05.2004 u...