Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Kürzung einer noch laufenden Festsetzungsfrist durch die Vorschrift des § 171 Abs. 9 AO
Leitsatz (redaktionell)
Eine noch laufende Festsetzungsfrist (Ablaufhemmung auf Grund einer Betriebsprüfung) wird nicht durch die Vorschrift des § 171 Abs. 9 AO (Ablauf der Festsetzungsfrist bei Eingang einer Selbstanzeige) verkürzt.
Normenkette
AO § 164 Abs. 2 S. 1, § 169 Abs. 2 Nr. 2, § 170 Abs. 2 Nr. 1, § 171 Abs. 2 S. 1, Abs. 4, 9
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist Steuerberater (Gewinnermittlung: § 4 Abs. 3 EStG). Er war am 06.05.1994 erklärungsgemäß zur Einkommensteuer 1991 veranlagt worden (Abgabe der Steuererklärung: 1994). Der Bescheid stand unter Vorbehalt der Nachprüfung und war teilweise vorläufig nach § 165 Abs. 1 AO. Am 05.12.2000 wurde der Bescheid gemäß § 165 Abs. 2 S. 1 AO geändert und gem. § 165 Abs. 2 S. 2 AO für endgültig erklärt. Weiter heißt es "der Vorbehalt der Nachprüfung ist nach § 164 Abs. 4 AO entfallen." Für 1992 war der Kläger am 22.07.1994 unter Vorbehalt der Nachprüfung zur Einkommensteuer veranlagt worden. Der Bescheid war teilweise vorläufig nach § 165 Abs. 1 AO.
Am 02.07.1997 beantragte der Kläger die ESt-Bescheide 1991 und 1992 zu ändern und die Besteuerungsgrundlagen um 9.800 DM (1991) und 9.600 DM (1992) zu erhöhen. Den Antrag nahm der Kläger am 21.07.2000 wieder zurück.
Am 30.06.1997 war eine Betriebsprüfungsanordnung für 1993, am 14.07.1997 für 1990 - 1992 ergangen. Die Betriebsprüfung (BP) für 1990 bis 1992 hatte am 05.08.1997 begonnen und war am 25.07.2001 beendet. Wegen (erfolgloser) Anfechtung der Prüfungsanordnung war sie unterbrochen. Am 17.10.2001 ergingen Änderungsbescheide 1991 und 1992. Der Änderungsbescheid 1991 ist auf § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO gestützt. Mit dem Änderungsbescheid 1992 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Der Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit ist für 1991 um 13.680 DM, für 1992 um 10.944 DM erhöht; der Kläger hatte die als Betriebsausgaben berücksichtigte Kanzleimiete nicht bezahlt (Tz. 1.2 Bp-Bericht).
Am .26.10.2001 legte der Kläger gegen den ESt-Bescheid 1991, am 16.11.2001 gegen den ESt-Bescheid 1992 erfolglos Einspruch ein. Gegen die Einspruchsentscheidung vom 13.11.2003 - bekannt gegeben mit einfachem Brief - hat der Kläger am 15.12.2003 Klage erhoben und vorgetragen:
Das FA habe die ESt-Bescheide 1991 und 1992 nicht mehr ändern dürfen. Es habe die Selbstanzeigen vom 02.07.1997 sowie die ebenfalls als Selbstanzeigen anzusehenden Schreiben vom 22.05. und 12.07.1996 nicht innerhalb der Jahresfrist des § 171 Abs. 9 AO bearbeitet. Dazu komme, dass einer Bescheidänderung 1991 die Vorschrift des § 173 Abs. 2 AO entgegenstehe. Die BP-Erweiterung habe im Übrigen nur dazu gedient; die fehlerhafte Bearbeitung der Selbstanzeigen vom 22.05. und 12.07.1996, die nicht innerhalb der Jahresfrist des § 171 Abs. 9 AO erfolgt sei, zu korrigieren. Der Betriebsprüfer … sei dazu als Zeuge zu vernehmen.
Das FA ist der Auffassung, die Klage sei unbegründet. Es sei zur Änderung der Bescheide berechtigt gewesen; die Bescheide seien noch unter Vorbehalt der Nachprüfung gestanden, die Festsetzungsfrist sei noch nicht abgelaufen gewesen. Durch die BP sei sie hinausgeschoben gewesen. Die Vorschrift des § 171 Abs. 9 AO (Hemmung der Festsetzungsfrist bei Anzeigen nach §§ 153, 371, 378 Abs. 3 AO) schließe dabei nicht die Anwendung der Vorschrift des § 171 Abs. 4 AO (Hemmung der Festsetzungsverjährung bei BP) aus. Dass für 1991 die falsche Korrekturvorschrift (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO) angegeben worden sei, schade nicht. Der Vorbehalt der Nachprüfung im ESt-Bescheid 1991 sei erst mit der, Einspruchsentscheidung aufgehoben worden. Der Hinweis im Bescheid vom 05.12.2000, der Vorbehalt der Nachprüfung sei gem. § 164 Abs. 4 AO entfallen, sei nur deklaratorischer, Natur und unzutreffend; Festsetzungsverjährung sei noch nicht eingetreten gewesen. Davon abgesehen sei das FA auch gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zur Bescheidänderung berechtigt gewesen. Die Veranlagungsstelle habe erst mit dem Prüfungsbericht von der neuen Tatsache Kenntnis genommen. Dazu komme, dass auch eine Berichtigung gem. § 174 Abs. 2, AO möglich sei; die Miete 1991 sei im ESt-Bescheid 1993 berücksichtigt.
Der Kläger beantragt,
- die ESt-Bescheide 1991 und 1992 vom 17.10.2001 und die Einspruchsentscheidung vom 13.11.2003 aufzuheben
- den Betriebsprüfer … als Zeugen darüber zu vernehmen, dass ein Strafverfahren gegen den Kläger eingeleitet worden ist.
Im Übrigen wird auf den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung übergebenen Schriftsatz vom 26.01.2005 verwiesen.
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Unstrittig ist, dass die Bescheide materiellrechtlich zutreffend sind. Das FA hat die Bescheide geändert, weil nicht bezahlte Mieten in der Gewinnermittlung (§ 4 Abs. 3 EStG) des Klägers zu Unrecht berücksichtigt sind (§ 11 Abs. 2 EStG). Die Bescheidänderungen sind auch verfahrensrechtli...