Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Einordnung der auf einen Veräußerungsgewinn entfallenden Einkommensteuerschuld als Masse- oder Insolvenzverbindlichkeit
Leitsatz (amtlich)
Zu den Insolvenzverbindlichkeiten zählen auch Einkommensteuerschulden, die sich daraus ergeben, dass ein Steuerpflichtiger aufgrund insolvenzbedingten Ausscheidens aus einer Beteiligungsgesellschaft einen Gewinn realisiert.
Normenkette
InsO §§ 38, 55
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Einordnung einer Steuerschuld als Insolvenz- bzw. Masseverbindlichkeit.
Der mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Kläger erzielte im Streitjahr als niedergelassener Arzt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Darüber hinaus war er an der B Beteiligungsgesellschaft für Wohnungsbau mbH & Co. Wohnpark H KG beteiligt. Die sich hieraus ergebenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden vom Finanzamt für Körperschaften gesondert und einheitlich festgestellt.
Mit Beschluss des Amtsgerichtes/Insolvenzgerichtes vom 1. März 2008 wurden das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet (Az. 2 IN .../07) und ein sog. starker Insolvenzverwalter bestellt. Nachdem dieser in 2009 die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr eingereicht hatte, erließ der Beklagte unter dem 11. März 2010 gegenüber der Ehefrau einen Zusammenveranlagungsbescheid, der nicht von der Erklärung abwich, jedoch Einkünfte aus der o.g. Beteiligung außen vor ließ, da insoweit noch keine Mitteilung des Finanzamtes B vorlag. Zeitgleich erstellte das Finanzamt dem entsprechende Steuerberechnungen über Einkommensteuer sowohl für den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung 01.01. bis 28.02.2008 (gemeint war der 29.02.2008) als auch für den Zeitraum ab Insolvenzeröffnung (01.03. bis 31.12.2008), die es dem Insolvenzverwalter zukommen ließ. Die Aufteilung der danach in 2008 insgesamt anfallenden Einkommensteuer erfolgte, was zwischen den Beteiligten sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach unstreitig ist, nach dem Verhältnis der jeweiligen, zeitanteilig ermittelten (Teil-)Einkünfte des Klägers zur Summe der Einkünfte des gesamten Veranlagungszeitraumes.
Unter dem 30. April 2010 teilte das Finanzamt B dem beklagten Finanzamt mit, dass der Kläger am 1. März 2008 aus der Beteiligungsgesellschaft ausgeschieden sei und nach Anwendung des § 15 a EStG einen Veräußerungsgewinn im Sinne des § 16 EStG in Höhe von 17.439,43 € erzielt habe.
Daraufhin ergingen am 25. Mai 2010 ein dementsprechend geänderter Einkommensteuer-Zusammenveranlagungsbescheid 2008 gegenüber der Ehefrau und (erstmals) ein gleichlautender, diese Mitteilung berücksichtigender Einkommensteuerbescheid 2008 gegenüber dem Insolvenzverwalter mit einem "Nachtrag" vom 19. Juli 2010, in dem die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuerschuld den Masseverbindlichkeiten zugeordnet und die hierauf entfallende (anteilige) Einkommensteuer auf 7.323,00 € beziffert wurde, so dass sich die vom Insolvenzverwalter lt. Finanzamt zu zahlende Steuerschuld auf die Summe aus diesem Betrag und der für den Zeitraum 01.03. bis 31.12.2008 bereits errechneten Einkommensteuerschuld belief (Bl. 70 bis 73 ESt-Akten 2008).
Nachdem unter dem 20. Januar 2011 eine geänderte Mitteilung des Finanzamtes B ergangen war (der Veräußerungsgewinn sollte nunmehr 29.885,65 € betragen), änderte das beklagte Finanzamt am 10. Februar 2011 die Einkommensteuerfestsetzung 2008 sowohl gegenüber der Ehefrau als auch gegenüber dem Insolvenzverwalter gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, setzte mit Schreiben vom 10. Februar 2011 den Insolvenzverwalter von der geänderten Mitteilung in Kenntnis und ordnete die hierauf, d.h. auf den Veräußerungsgewinn, entfallende Einkommensteuer wiederum den Masseverbindlichkeiten zu (Bl. 82 bis 88 ESt-Akten 2008).
Der Insolvenzverwalter legte gegen "die Zurechnung und Festsetzung der erhöhten Steuerverbindlichkeit gegenüber der Insolvenzmasse" Einspruch mit der Begründung ein, hinsichtlich der Frage, ob der Steueranspruch aus einem fiktiven Gewinnanteil zur Insolvenzmasse gehöre oder aber eine Insolvenzforderung darstelle, komme es darauf an, ob zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch bereits gelegt gewesen sei. Dies sei entsprechend des Gesellschaftsvertrages zwischen dem Kläger und der Beteiligungsgesellschaft der Fall gewesen. Der Anspruch auf Abfindung bei Ausscheiden sei somit vor Insolvenzeröffnung begründet gewesen und könne daher nur nach § 38 InsO und nicht als Masseverbindlichkeit gem. § 55 InsO geltend gemacht werden. Darüber hinaus beruhe der aus dem Ausscheiden resultierende fiktive Gewinn nicht auf einer Handlung des Insolvenzverwalters. Auch könnten nur echte, nicht jedoch bloße fiktive Gewinne aus einer zur Masse gehörenden Beteiligung als Masseverbindlichkeiten angesehen werden. Schließlich habe auch kein Auseinandersetzungsguthaben für die Masse realisiert we...