Entscheidungsstichwort (Thema)

Auskunftsersuchen an Geschäftsführer einer im Ausland ansässigen Gesellschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Auskunftsersuchen an den Geschäftsführer einer im Ausland ansässigen Kapitalgesellschaft in dessen Eigenschaft als deren gesetzlicher Vertreter können nicht mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, auch wenn der Geschäftsführer selbst im Inland seinen Wohnsitz hat.

 

Normenkette

AO § 93 Abs. 1, § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 328

 

Tatbestand

Streitig sind die Rechtmäßigkeit eines Auskunfts- und Vorlageverlangens sowie einer Zwangsgeldfestsetzung.

Der Kläger ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der T S.à.r.l. (im Folgenden: S.à.r.l.). Deren Sitz befindet sich in Luxemburg, der Kläger selbst ist in V/Deutschland wohnhaft. Die S.à.r.l. betreibt ein Transportunternehmen im Güterfernverkehr und beschäftigt mehrere Arbeitnehmer (insbesondere LKW-Fahrer).

Der Kläger ist außerdem Inhaber eines Einzelunternehmens in M. Gegenstand dieses Unternehmens ist ein Torf-, Blumenerde- und Agrarprodukte-Großhandel sowie ein internationaler Logistik- & Transportservice.

Mit Schreiben vom 30. März 2017 wandte sich die Steuerfahndungs- und Strafsachenstelle des Beklagten an den Kläger. Das Schreiben hat im Wesentlichen folgenden Wortlaut: „Sehr geehrter Herr T, nach meinen Erkenntnissen und hier vorliegenden Unterlagen werden die als Mitarbeiter beschäftigten Arbeitnehmer der luxemburgischen T S.à.r.l. auch außerhalb Luxemburgs für den Arbeitgeber tätig, da sie Transporte in Deutschland und/oder in Drittländern durchführen. Der Arbeitslohn dieser Mitarbeiter, soweit sie im Inland wohnen, unterliegt daher nach Art. 10 des geltenden Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und Luxemburg (DBA) insoweit der inländischen Besteuerung, als er auf Tätigkeiten außerhalb Luxemburgs entfällt. (…) Zur Überprüfung einer zutreffenden Lohnversteuerung bei den Arbeitnehmern werden Sie als Geschäftsführer des Arbeitgebers nach § 93 Abs. 1 i.V. mit § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO im Besteuerungsverfahren um folgende Auskünfte ersucht: 1. Bitte teilen Sie Namen, Anschriften und Geburtsdaten aller im Zeitraum 2014 bis dato beschäftigten Mitarbeiter mit, die ihren Wohnsitz im Inland haben oder hatten. 2. Geben Sie bitte zu jedem der benannten Mitarbeiter den Beginn und ggfs. das Ende des Beschäftigungsverhältnisses an. 3. Legen Sie bitte für alle benannten Mitarbeiter die Jahreslohnbescheinigungen vor. 4. Teilen Sie bitte mit, auf welcher Grundlage die vom Arbeitgeber bescheinigten Arbeitstage außerhalb von Luxemburg ermittelt wurden. 5. Es wird um Vorlage der Grundaufzeichnungen für die vom Arbeitgeber ausgestellten Bescheinigungen gebeten. 6. Teilen Sie bitte mit, ob und ggfls. wann und auf welche Art die Mitarbeiter von Seiten des Arbeitgebers ggfs. auf die betreffende steuerliche Problematik aufmerksam gemacht und sensibilisiert wurden.“ (Bl. 10 d. PA).

Der Kläger erwiderte darauf mit Schreiben vom 20. April 2017, soweit von ihm persönlich Auskunft über persönliche Daten von Arbeitnehmern der S.à.r.l. erwartet werde, könne diese Auskünfte allenfalls die S.à.r.l. als Arbeitgeber erteilen. Daraufhin teilte ihm der Beklagte mit Schreiben vom 28. April 2017 mit, sein Schreiben vom 20. April 2017 werde als Einspruch gegen das Auskunftsersuchen gedeutet. Die Rechtsauffassung des Klägers werde vom Finanzamt allerdings nicht geteilt. Als Geschäftsführer habe er die umfassende Vertretungsmacht für die Gesellschaft. Auskünfte der S.à.r.l. als Arbeitgeber seien von ihm in seiner Funktion als Geschäftsführer der S.à.r.l. zu erteilen. Für den Fall, dass er der Verpflichtung zur Auskunftserteilung bis zum 31. Mai 2017 nicht nachkomme, werde die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.000 € angedroht. Der Kläger nahm hierzu u.a. noch dahingehend Stellung, er sei als Geschäftsführer der S.à.r.l. „andere Person“ im Sinne von § 93 AO. Eine damit einhergehende Auskunftspflicht entstehe in diesem Fall nur, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führe oder keinen Erfolg verspreche; es sei somit die Subsidiarität von § 93 AO im Vergleich zu § 90 AO verkannt worden.

Mit Einspruchsentscheidung vom 23. Juni 2017 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, der Kläger sei in den Besteuerungsverfahren der (noch unbekannten) Arbeitnehmer zwar nicht Beteiligter, sondern „andere Person“ im Sinne von § 93 Abs. 1 Satz 1 AO. Allerdings gelte § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollten, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führe oder keinen Erfolg verspreche, gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 AO tätig werde, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und ...

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