Rz. 172

[Autor/Stand] Wesen der Zurechnung. Es gehört zu den besonderen Eigenarten des AStG, bestimmten Personen fiktiv Einkünfte, Einkommen, Vermögen o.Ä. für steuerliche Zwecke zuzurechnen, die selbst eigentlich nicht die Voraussetzungen für eine steuerliche Zuordnung dieser Einkünfte, dieses Einkommens oder dieses Vermögens erfüllen. So sieht bspw. § 14 die Zurechnung von Einkünften einer nachgeschalteten ausländischen Gesellschaft vor und § 15 Abs. 1 beschäftigt sich mit der Zurechnung von Vermögen sowie Einkommen einer ausländischen Familienstiftung. Trotz der tatbestandlichen Anknüpfung des § 5 Abs. 1 Satz 1 an die Hinzurechnungsbesteuerung geht es dieser Regelung nicht um eine "Hinzurechnung" von Einkünften in der Gestalt eines Hinzurechnungsbetrages. Vielmehr ordnet § 5 Abs. 1 Satz 1 – ebenso wie §§ 14 und 15 – als Rechtsfolge eine "Zurechnung" an. In Übereinstimmung mit den genannten Vorschriften ist auch in § 5 Abs. 1 Satz 1 unter Zurechnung die steuerrechtliche Zuordnung in persönlicher Hinsicht zu verstehen. Es werden deshalb den an der ausländischen Gesellschaft beteiligten Personen i.S. des § 2 die von der ausländischen Gesellschaft erzielten, passiven, niedrig besteuerten, nicht ausländischen Einkünfte zugerechnet. Damit ist noch nichts dazu gesagt, welcher Besteuerung die so zugerechneten Einkünfte unterliegen, ob die ausländische Gesellschaft mit diesen Einkünften selbst (und zusätzlich) beschränkt steuerpflichtig sein kann, ob eine Ausschüttung dieser Einkünfte abermals zu einer Steuerpflicht der Person i.S. des § 2 führt, was mit den auf die zugerechneten Einkünfte erhobenen in- oder ausländischen Steuern geschieht u.Ä. Im Einzelnen:

 

Rz. 173

[Autor/Stand] Zurechnung erfolgt nur für Anwendung des § 2. Aus der Formulierung des Gesetzes sowie dessen Telos wird deutlich, dass § 5 Abs. 1 Satz 1 keinen selbständigen, einen Steueranspruch begründenden Tatbestand enthält, sondern lediglich eine Ergänzungs- bzw. Erweiterungsnorm für die Steuerpflicht nach § 2 darstellt. Auch wenn § 5 Abs. 1 Satz 1 (anders als zB § 14 Abs. 1) nicht die ausdrückliche Formulierung enthält, dass die Zurechnung "für die Anwendung des § 2" erfolgt, so ergibt sich doch aus dem Telos sowie dem Regelungszusammenhang der Vorschrift, dass es nur darum geht, eine Besteuerung nach § 2 sicherzustellen. Ausweislich des Willens des Gesetzgebers soll durch § 5 Abs. 1 Satz 1 eine Umgehung des § 2 verhindert werden, die dadurch entstehen könnte, dass eine Person i.S. des § 2 ihre Inlandsinteressen auf eine ausländische Gesellschaft überträgt. § 5 Abs. 1 Satz 1 erweitert dafür den Tatbestand des § 2 Abs. 1 dahin, dass auch bestimmte über eine ausländische Gesellschaft bezogene Einkünfte der erweitert beschränkten Steuerpflicht nach § 2 unterliegen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht gerechtfertigt, die Zurechnung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 auch außerhalb des § 2 im Rahmen der einfachen beschränkten Steuerpflicht zur Anwendung gelangen zu lassen.[3] Denn außerhalb von § 2 verliert § 5 Abs. 1 Satz 1 seine Rechtfertigung, weil es dort keine Umgehung von § 2 geben kann. Vielmehr erfolgt die Besteuerung der zugerechneten Einkünfte im Rahmen des § 2. Der entgegenstehenden Auffassung im Schrifttum ist nicht zu folgen.[4] Auch die Finanzverwaltung betont, dass § 5 Abs. 1 Satz 1 eine bloße Ergänzung zur erweitert beschränkten Steuerpflicht nach § 2 darstellt.[5]

 

Rz. 174

[Autor/Stand] Wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen. Aus der Einbettung des § 5 Abs. 1 Satz 1 in die Regelung des § 2 folgt zugleich, dass nach der Zurechnung der Einkünfte zu prüfen ist, ob die Person i.S. des § 2 über wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen i.S. des § 2 Abs. 3 verfügt. Auf die ausführliche Darstellung in Anm. 108 f. (auch der abweichenden Auffassung) wird verwiesen.

 

Rz. 175

[Autor/Stand] Steuertarif. Aus dem Ergänzungscharakter des § 5 Abs. 1 Satz 1 folgt weiterhin, dass für die zugerechneten Einkünfte gem. § 2 Abs. 5 Satz 1 der Steuersatz zur Anwendung kommt, der sich für sämtliche Einkünfte der Person i.S. des § 2 ergibt (zu diesem Progressionsvorbehalt vgl. ausführlich § 2 Anm. 322 ff.). In die Ermittlung dieses Steuersatzes sind auch diejenigen Einkünfte einzubeziehen, die die Person i.S. des § 2 als Gewinnausschüttungen von der ausländischen Gesellschaft enthält, allerdings nur insoweit, als die diesen Gewinnausschüttungen zugrundeliegenden Einkünfte nicht der Zurechnung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 unterliegen oder unterlegen haben.[8] Die für Kapitalerträge sowie für Einkünfte i.S. des § 50 a EStG gem. § 50 Abs. 2 EStG geltende Abgeltungswirkung wird über § 2 Abs. 5 Satz 2 EStG beseitigt.

 

Rz. 176

[Autor/Stand] Problem der Abgeltungsteuer für inländische Kapitalerträge. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob auf zugerechnete inländische Kapitalerträge gleichwohl der Tarif des § 32 d EStG (sog. Abgeltungsteuer) zur Anwendung gelangt. Im Schrifttum wird die Bejahung dieser Frage zT damit begründet, dass die Ermittlung des individuellen Steuersat...

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