Dr. Nils Häck, Dr. Julian Böhmer
Rz. 65
Anwendungsbereich. Sind Anteile an Kapitalgesellschaften einem steuerlichen (Sonder-)Betriebsvermögen zuzurechnen, die nicht als einbringungsgeborene Anteile i.S.v. § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 1995 qualifizieren, kann bspw. ein Wegzug des Einzel- oder Mitunternehmers eine Entstrickungsbesteuerung i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG auslösen, wenn das deutsche Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus der Veräußerung oder Nutzung der Anteile ausgeschlossen oder beschränkt wird, andere Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens aber "verstrickt" bleiben (zu § 16 Abs. 3a EStG s. Rz. 74). Dies gilt grds. auch hinsichtlich Anteilen an einer optierenden Gesellschaft i.S.v. § 1a Abs. 1 KStG, die sich in einem steuerpflichtigen Betriebsvermögen befinden. Mit der Einführung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG durch das SEStEG ab VZ 2006 wollte der Gesetzgeber die ursprünglich vom BFH vertretene, zwischenzeitlich aber aufgegebene Rechtsprechung zur sog. finalen Entnahme bzw. finalen Betriebsaufgabe kodifizieren, um erstmals einen allgemeinen Entstrickungstatbestand im betrieblichen Bereich zu schaffen. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG findet auch für beschränkt steuerpflichtige Mitunternehmer Anwendung. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG steht der Entnahme für betriebsfremde Zwecke der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts Deutschlands hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts gleich. Die Frage, ob § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG das gesetzgeberische Ziel tatsächlich erfüllt, könnte im Anschluss an die Entscheidung des FG Düsseldorf vom 19.11.2015 vom BFH beantwortet werden. Hier geht es v.a. auch um die Frage, ob die in der deutschen Steuerhoheit gebildeten stillen Reserven nicht auf Grundlage der BFH-Rechtsprechung – selbst bei im Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung nicht mehr existenten inländischen Betriebsstätte – stets im deutschen Steuerzugriff verblieben und dies eine Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG ausschließt. Der Gesetzgeber sah sich daher genötigt, durch das JStG 2010"klarstellend" § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG einzuführen. Danach liegt ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts insbesondere vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist (s. Rz. 66.1).
Rz. 66
Ausschluss oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts. § 4 Abs. 1 Satz 3, Satz 4 EStG enthält nach ganz h.M. einen "Gefährdungstatbestand". Insoweit genüge für § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG die abstrakte Möglichkeit des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts. Die Gesetzesbegründung stellt darauf ab, ob der Gewinn auf Grund eines DBA von der inländischen Besteuerung freigestellt oder die ausländische Steuer im Inland anzurechnen ist. Teilweise werden nur abkommensrechtlich bedingte Einschränkungen des Besteuerungsrechts als tatbestandsmäßig angesehen. Nach der weitesten Auffassung soll die Tatbestandsmäßigkeit unabhängig von allgemeinen abkommensrechtlichen Grundsätzen bereits gegeben sein, wenn der deutsche Steueranspruch nicht mehr (uneingeschränkt) durchsetzbar oder die Durchsetzung gefährdet ist. Ein "Ausschluss" des deutschen Besteuerungsrechts an den Gewinnen aus der Veräußerung oder Nutzung der Wirtschaftsgüter wäre jedenfalls gegeben, wenn erstmalig nach dem Wegzug derartige Gewinne (anteilig) aufgrund (i) eines fehlenden inländischen Anknüpfungspunktes in Deutschland nicht steuerbar oder (ii) aufgrund einer abkommensrechtlich bedingten Freistellungsverpflichtung (z.B. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) im Inland freizustellen wären. Eine "Beschränkung" des deutschen Besteuerungsrechts soll gegeben sein, wenn Deutschland bis zum Wegzug ein deutsches Besteuerungsrecht ohne die Verpflichtung zur Anrechnung bzw. einem Steuerabzug ausländischer Steuern innehatte und nach dem Wegzug verpflichtet wäre, eine etwaig zukünftig entstehende ausländische Steuer auf den Steueranspruch nach § 34c Abs. 1 (im DBA-Fall i.V.m. Abs. 6) EStG (anteilig) anzurechnen. Auch insoweit soll die abstrakte Gefahr einer Anrechnung ausländischer Steuern genügen, so dass eine rechtlich abstrakte Anrechnungsverpflichtung zu einer "Beschränkung" des deutschen Besteuerungsrechts führt, auch wenn der ausländische Staat nach seinem innerstaatlichen Steuerrecht entsprechende Gewinne ggf. gar nicht besteuert. Obwohl die Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG nur die Steueranrechnung anspricht, soll auch ein Steuerabzug nach § 34c Abs. 2 EStG bzw. § 34c Abs. 3 EStG eine "Beschränkung" des Besteuerungsrecht begründen können. Dies entspricht auch der Auffassung der Finanzverwaltung zu § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 in Rz. 88 Satz 2 AEAStG-E (s. § 6 AStG Anh. 2 Rz. 14). Für den Steuerabzug lässt sich das damit rechtfertigen, dass insoweit...