Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 1184
Zeitweise Übernahme von Funktionen. Üblicherweise werden Funktionen, welche auf ein ausländisches verbundenes Unternehmen verlagert wurden, längerfristig oder für immer im Ausland angesiedelt bleiben. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 FVerlV 2008 konnte eine Funktionsverlagerung aber auch dann vorliegen, wenn das ausländische verbundene Unternehmen die Funktion nur zeitweise übernimmt. Die Grundsätze der Funktionsverlagerungsbesteuerung sind damit auch dann zu berücksichtigen, wenn die Funktion im Ausland nur vorübergehend (z.B. drei Jahre) verbleibt. Die begrenzte Zeitdauer des Verbleibens der Funktion im Ausland ist allerdings im Rahmen der Bewertung des Transferpakets über den entsprechenden Diskontierungszeitraum zu berücksichtigen. Als typische Anwendungsfälle der zeitweisen Funktionsverlagerung nennt die Verwaltung die zeitweise Übertragung von Vertriebsrechten, Märkten oder Kunden oder Fälle der befristeten Versetzung einzelner Mitarbeiter mit ihrem Aufgabenbereich. Insoweit kommt die weite Interpretation der Regelung zur Funktionsverlagerungsbesteuerung durch die Finanzverwaltung zum Ausdruck. Denn die zeitweise Übertragung von Vertriebsrechten für einzelne Produkte sowie die Personalentsendung im Konzern stellen i.d.R. keine Funktionsverlagerung dar. Vielmehr handelt es sich insoweit nur um die Überlassung einzelner Wirtschaftsgüter, welche regelmäßig nicht zu einer Funktionsverlagerung führt. Die Vorschrift, dass eine Funktionsverlagerung auch vorliegen kann, wenn das ausländische verbundene Unternehmen die Funktion nur zeitweise übernimmt, ist in § 1 Abs. 2 FVerlV 2022 nicht mehr enthalten. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die zweitweise Funktionsverlagerung aus Sicht der Verwaltung weiterhin unter die Funktionsverlagerungsbesteuerung fallen wird. Infolgedessen sollte sich am weiten Verständnis der Verwaltung nichts geändert haben, wobei die zeitlich begrenzte Nutzung auch in Zukunft bei der Bewertung zu berücksichtigen sein wird.
Rz. 1185
Zusammenfassung von Geschäftsvorfällen innerhalb eines Fünf-Jahres-Zeitraums. Der Vorgang einer Funktionsverlagerung kann sich auch über mehrere Jahre erstrecken. In diesem Zusammenhang sieht § 1 Abs. 2 Satz 3 FVerlV 2008/2022 vor, dass Geschäftsvorfälle, die innerhalb von fünf Wirtschaftsjahren verwirklicht werden, zu dem Zeitpunkt, zu dem sie die Voraussetzungen einer Funktionsverlagerung erfüllen, als einheitliche Funktionsverlagerung zusammenzufassen sind (sog. "schleichende Funktionsverlagerung"). Die Vorschrift ordnet damit eine veranlagungszeitraumübergreifende Betrachtung an. Dabei wird auch der Zeitpunkt, zu dem die Funktionsverlagerung vorliegt, bestimmt. Dieser liegt erst dann vor, wenn sämtliche Geschäftsvorfälle verwirklicht sind. Soweit die Finanzverwaltung dabei auf die in den Veranlagungszeiträumen tatsächlich verwirklichten Geschäftsvorfälle und nicht auf die Absicht des Steuerpflichtigen abstellt, verstößt sie gegen den Grundsatz der "Ex-ante"-Betrachtung.