Prof. Dr. Georg Schnitter
Rz. 2
§ 35b GewStG enthält verfahrensrechtliche Regelungen und betrifft alle Gewerbebetriebe. § 35b Abs. 1 GewStG gilt für GewSt-Messbescheide und für Verlustfeststellungsbescheide, § 35b Abs. 2 GewStG nur für Verlustfeststellungsbescheide. Nach § 35b Abs. 1 GewStG ist der GewSt-Messbescheid bzw. der Verlustfeststellungsbescheid von Amts wegen aufzuheben oder zu ändern, wenn der ESt-, KSt- oder Gewinnfeststellungsbescheid aufgehoben oder geändert wird und die Aufhebung oder Änderung den Gewinn bzw. Verlust aus Gewerbebetrieb berührt. § 35b Abs. 2 GewStG betrifft die Verlustfeststellung und die Änderung der Verlustfeststellung bei einer Änderung der Besteuerungsgrundlagen für den Steuermessbetrag.
Rz. 3
§ 35b Abs. 1 GewStG enthält eine selbstständige Rechtsgrundlage zur Änderung oder Aufhebung von GewSt-Messbescheiden und Verlustfeststellungsbescheiden. Die Regelung dient der Verfahrensvereinfachung. Es soll eine Verdoppelung der Rechtsbehelfsverfahren vermieden werden. § 35b Abs. 1 GewStG erfordert das Vorhandensein eines GewSt-Messbescheids oder Verlustfeststellungsbescheids und die Aufhebung bzw. Änderung eines korrespondierenden ESt-, KSt- oder Gewinnfeststellungsbescheids. Ermächtigungsgrundlage für den erstmaligen Erlass eines GewSt-Messbescheids kann § 35b Abs. 1 GewStG nicht sein.
Rz. 4
Weder der ESt- bzw. KSt-Bescheid noch der Gewinnfeststellungsbescheid ist Grundlagenbescheid für die Festsetzung des Steuermessbetrags. Der Gewerbeertrag wird vielmehr nach § 7 GewStG eigenständig für gewerbesteuerliche Zwecke ermittelt. Eine rechtliche Bindung an den im Rahmen der Veranlagung zur ESt bzw. KSt oder der Gewinnfeststellung ermittelten Gewinn aus Gewerbebetrieb besteht nicht. Folglich ist der GewSt-Messbescheid neben dem ESt-, KSt- bzw. Gewinnfeststellungsbescheid eigenständig anfechtbar. Entsprechendes gilt für die Feststellung des Gewerbeverlusts. Auch § 35b Abs. 1 GewStG schließt im Rahmen seines Anwendungsbereichs gesonderte Einsprüche gegen den GewSt-Messbescheid bzw. Verlustfeststellungsbescheid nicht aus.
Rz. 5
§ 35b Abs. 1 S. 1 GewStG bestimmt aus Gründen der Verfahrensvereinfachung, dass der GewSt-Messbescheid oder Verlustfeststellungsbescheid von Amts wegen aufzuheben oder zu ändern ist, wenn der ESt-, KSt- oder Gewinnfeststellungsbescheid aufgehoben oder geändert wird und die Aufhebung oder Änderung den Gewinn aus Gewerbebetrieb berührt. Nach § 35b Abs. 1 S. 2 GewStG ist die Änderung des Gewinns aus Gewerbebetrieb insoweit zu berücksichtigen, als sie die Höhe des Gewerbeertrags oder des vortragsfähigen Gewerbeverlusts beeinflusst. Hinsichtlich der Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist gilt § 171 Abs. 10 AO nach § 35b Abs. 1 S. 3 GewStG sinngemäß. Wird ein GewSt-Messbescheid geändert, ergeben sich keine Konsequenzen hinsichtlich des ESt-, KSt- oder Gewinnfeststellungsbescheids.
Rz. 6
Die Regelung in § 35b Abs. 1 GewStG ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Korrektur des gewerblichen Gewinns im Rahmen des ESt-, KSt- oder Gewinnfeststellungsbescheids sich zumeist nach § 7 GewStG auch auf die Höhe des Gewerbeertrags und in Fällen des negativen Gewerbeertrags auch auf die Höhe des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auswirkt. § 35b Abs. 1 GewStG erlaubt es in diesen Fällen zum einen dem FA, auch den GewSt-Messbescheid bzw. den Verlustfeststellungsbescheid entsprechend anzupassen. Zum anderen kann sich der Stpfl. darauf beschränken, bei einem Streit über die Höhe des gewerblichen Gewinns bzw. Verlusts nur den ESt-, KSt- oder Gewinnfeststellungsbescheid anzufechten. Hierbei ist aber zu beachten, dass eine Korrektur des Gewinns aus Gewerbebetrieb im Rahmen eines ESt-, KSt- oder Gewinnfeststellungsbescheids nur unter bestimmten Voraussetzungen nach § 35b Abs. 1 GewStG auch zu einer Korrektur des GewSt-Messbescheids bzw. des Verlustfeststellungsbescheids führt. So scheidet eine Korrektur nach § 35b Abs. 1 GewStG z. B. aus, wenn der Rechtsbehelf gegen den ESt-Bescheid mangels Beschwer unzulässig ist, weil die vom Stpfl. begehrte Änderung des gewerblichen Gewinns nur zu einer Minderung der GewSt, nicht aber der ESt führt. Letztlich ist auch zu bedenken, dass ein Rechtsbehelf gegen den GewSt-Messbescheid bzw. den Verlustfeststellungsbescheid weitergehende Korrekturmöglichkeiten – z. B. hinsichtlich der Hinzurechnungen und Kürzungen – beinhaltet als § 35b Abs. 1 GewStG. Vor diesem Hintergrund ist grundsätzlich zu empfehlen, einen GewSt-Messbescheid oder Verlustfeststellungsbescheid, der als rechtswidrig angesehen wird, gesondert anzufechten.
Rz. 7
§ 35b Abs. 2 GewStG – hierdurch wird § 10a S. 6 GewStG ergänzt – enthält Regelungen über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts und über eine Korrektur der Verlustfeststellung bei einer Änderung der Berechnungsgrundlagen für den Steuermessbetrag. Die Vorschrift ist § 10d Abs. 4 S. 3ff. EStG nachgebildet. Die dortigen Rechtsgrundsätze gelten auch im Rahmen von § 35b Abs. 2 GewStG. Durch § 35b Abs. 2 GewStG wird sichergestellt,...