Prof. Dr. Georg Schnitter
1 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 35b GewStG war bereits Bestandteil des GewStG 1951. Geändert wurde § 35b GewStG seit dem GewStG i. d. F. der Bekanntmachung v. 15.10.2002 mehrfach. Die Änderung von § 35b Abs. 2 S. 1 GewStG durch Gesetz v. 23.12.2003 mit Wirkung ab dem Ez 2004 beinhaltete nur redaktionelle Anpassungen an die gleichzeitige Änderung des § 10a GewStG. Durch Gesetz v. 13.12.2006 wurde § 35b Abs. 2 GewStG um S. 4 ergänzt. Die Ergänzung gilt für alle bei Inkrafttreten des Gesetzes am 19.12.2006 noch nicht abgelaufenen Feststellungsfristen. Eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung liegt insoweit nicht vor. Weiterhin wurde § 35b GewStG mit Wirkung ab dem Ez 2007 durch Gesetz v. 20.12.2007 geändert. Der Klammerverweis in § 35b Abs. 2 S. 1 GewStG auf § 10a S. 4 GewStG wurde gestrichen. Inhaltliche Änderungen haben sich dadurch nicht ergeben. Die letzte Änderung von § 35b GewStG erfolgte durch Gesetz v. 8.12.2010. § 35b Abs. 2 S. 2 und 3 GewStG wurden vor dem Hintergrund der Rspr. des BFH neu gefasst. Anzuwenden ist die Neufassung auf Verluste, für die nach dem 13.12.2010 eine Erklärung zur Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts abgegeben wird. Eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung liegt insoweit nicht vor.
2 Inhalt und Zweck der Vorschrift
Rz. 2
§ 35b GewStG enthält verfahrensrechtliche Regelungen und betrifft alle Gewerbebetriebe. § 35b Abs. 1 GewStG gilt für GewSt-Messbescheide und für Verlustfeststellungsbescheide, § 35b Abs. 2 GewStG nur für Verlustfeststellungsbescheide. Nach § 35b Abs. 1 GewStG ist der GewSt-Messbescheid bzw. der Verlustfeststellungsbescheid von Amts wegen aufzuheben oder zu ändern, wenn der ESt-, KSt- oder Gewinnfeststellungsbescheid aufgehoben oder geändert wird und die Aufhebung oder Änderung den Gewinn bzw. Verlust aus Gewerbebetrieb berührt. § 35b Abs. 2 GewStG betrifft die Verlustfeststellung und die Änderung der Verlustfeststellung bei einer Änderung der Besteuerungsgrundlagen für den Steuermessbetrag.
Rz. 3
§ 35b Abs. 1 GewStG enthält eine selbstständige Rechtsgrundlage zur Änderung oder Aufhebung von GewSt-Messbescheiden und Verlustfeststellungsbescheiden. Die Regelung dient der Verfahrensvereinfachung. Es soll eine Verdoppelung der Rechtsbehelfsverfahren vermieden werden. § 35b Abs. 1 GewStG erfordert das Vorhandensein eines GewSt-Messbescheids oder Verlustfeststellungsbescheids und die Aufhebung bzw. Änderung eines korrespondierenden ESt-, KSt- oder Gewinnfeststellungsbescheids. Ermächtigungsgrundlage für den erstmaligen Erlass eines GewSt-Messbescheids kann § 35b Abs. 1 GewStG nicht sein.
Rz. 4
Weder der ESt- bzw. KSt-Bescheid noch der Gewinnfeststellungsbescheid ist Grundlagenbescheid für die Festsetzung des Steuermessbetrags. Der Gewerbeertrag wird vielmehr nach § 7 GewStG eigenständig für gewerbesteuerliche Zwecke ermittelt. Eine rechtliche Bindung an den im Rahmen der Veranlagung zur ESt bzw. KSt oder der Gewinnfeststellung ermittelten Gewinn aus Gewerbebetrieb besteht nicht. Folglich ist der GewSt-Messbescheid neben dem ESt-, KSt- bzw. Gewinnfeststellungsbescheid eigenständig anfechtbar. Entsprechendes gilt für die Feststellung des Gewerbeverlusts. Auch § 35b Abs. 1 GewStG schließt im Rahmen seines Anwendungsbereichs gesonderte Einsprüche gegen den GewSt-Messbescheid bzw. Verlustfeststellungsbescheid nicht aus.
Rz. 5
§ 35b Abs. 1 S. 1 GewStG bestimmt aus Gründen der Verfahrensvereinfachung, dass der GewSt-Messbescheid oder Verlustfeststellungsbescheid von Amts wegen aufzuheben oder zu ändern ist, wenn der ESt-, KSt- oder Gewinnfeststellungsbescheid aufgehoben oder geändert wird und die Aufhebung oder Änderung den Gewinn aus Gewerbebetrieb berührt. Nach § 35b Abs. 1 S. 2 GewStG ist die Änderung des Gewinns aus Gewerbebetrieb insoweit zu berücksichtigen, als sie die Höhe des Gewerbeertrags oder des vortragsfähigen Gewerbeverlusts beeinflusst. Hinsichtlich der Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist gilt § 171 Abs. 10 AO nach § 35b Abs. 1 S. 3 GewStG sinngemäß. Wird ein GewSt-Messbescheid geändert, ergeben sich keine Konsequenzen hinsichtlich des ESt-, KSt- oder Gewinnfeststellungsbescheids.
Rz. 6
Die Regelung in § 35b Abs. 1 GewStG ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Korrektur des gewerblichen Gewinns im Rahmen des ESt-, KSt- oder Gewinnfeststellungsbescheids sich zumeist nach § 7 GewStG auch auf die Höhe des Gewerbeertrags und in Fällen des negativen Gewerbeertrags auch auf die Höhe des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auswirkt. § 35b Abs. 1 GewStG erlaubt es in diesen Fällen zum einen dem FA, auch den GewSt-Messbescheid bzw. den Verlustfeststellungsbescheid entsprechend anzupassen. Zum anderen kann sich der...