Joachim Moritz, Dr. Joachim Strohm
Rz. 127
Gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Bezüge, die nach der Auflösung einer Körperschaft i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG anfallen, nicht in der Rückzahlung von Nennkapital bestehen und keine Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto i. S. d. § 27 KStG darstellen.
Rz. 128
§ 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG erfasst ausschließlich Bezüge, die nach der Auflösung einer Körperschaft i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG anfallen. Unerheblich ist im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG, ob die Körperschaft unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig ist. Seit der Änderung der Vorschrift durch das SEStEG v. 7.12.2007 erfasst § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG neben unbeschränkt auch beschränkt steuerpflichtige Körperschaften i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG. Zur Auflösung einer Körperschaft i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG kommt es, sobald ein gesetzlicher Auflösungstatbestand erfüllt ist. Zu diesen zählen insbesondere der Ablauf der Zeit, für die die Körperschaft eingegangen wurde, der Beschluss der Gesellschafter, die Körperschaft aufzulösen, und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Körperschaft (§ 262 AktG; § 60 GmbHG). Die Auflösung einer Körperschaft i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG hat zur Folge, dass an die Stelle des bisherigen Gesellschaftszwecks die Abwicklung der Körperschaft tritt. Im Rahmen der Abwicklung werden die Gläubiger der Gesellschaft befriedigt. Ein nach der Abwicklung verbleibender Gewinn wird an die Gesellschafter verteilt (§§ 262ff. AktG; §§ 60ff. GmbHG). Nicht zur Auflösung einer Körperschaft i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG führen Umwandlungen und Verschmelzungen; deren Folgen richten sich allein nach dem UmwStG.
Rz. 129
Zu den Bezügen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG gehören alle Zuwendungen in Geld oder Geldeswert, also auch Sachbezüge, die ein Gesellschafter von einer Körperschaft i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG erhält und deren Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis zu erblicken ist. Der Begriff der Bezüge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG ist insofern identisch mit dem Begriff der Bezüge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG. Hinzu kommen muss allerdings, dass die Bezüge in Zusammenhang mit der Auflösung der Körperschaft anfallen, womit insbesondere Liquidationsraten und Abschlusszahlungen angesprochen sind. Bezüge, die auf die Zeit vor der Auflösung einer Körperschaft entfallen, aber erst nach der Auflösung beschlossen und gezahlt werden, unterliegen daher nicht der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG. In diesen Fällen erzielt der Gesellschafter Einkünfte i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG.
Rz. 130
Bei den Bezügen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG darf es sich weder um die Rückzahlung von Nennkapital noch um Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto i. S. d. § 27 KStG handeln. Das Nennkapital einer Gesellschaft setzt sich ebenso wie das steuerliche Einlagekonto i. S. d. § 27 KStG aus den Einlagen der Gesellschafter zusammen, soweit nicht Gewinne in Nennkapital umgewandelt wurden. § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG erfasst folglich nicht die Rückzahlung von Gesellschaftereinlagen, die allenfalls im Rahmen des § 17 Abs. 4 S. 1 oder § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2 EStG steuerbar sein können. Vielmehr soll § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG sicherstellen, dass Gewinne, die in den Gewinnrücklagen ausgewiesen waren, sowie ggf. anfallende Abwicklungsgewinne, die anlässlich der Auflösung einer Körperschaft ausgekehrt werden, bei den Gesellschaftern besteuert werden.
Rz. 131
§ 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG tritt gegenüber § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG zurück, falls die Kapitalerträge bereits nach dieser Vorschrift steuerbar sind. Dagegen kommt § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG gegenüber § 17 Abs. 4 S. 1 EStG der Vorrang zu, sofern die erzielten Erträge auch von der zuletzt genannten Regelung erfasst werden (§ 17 Abs. 4 S. 3 EStG).