Entscheidungsstichwort (Thema)
Analoge Anwendung des § 13 Abs. 4 UmwStG bei Aufwärtsverschmelzungen
Leitsatz (redaktionell)
- Bei Aufwärtsverschmelzungen ist § 13 Abs. 4 UmwStG analog anzuwenden, um die Besteuerung der in den Anteilen an der übertragenden Körperschaft liegenden stillen Reserven zu gewährleisten.
- Ein Analogieverbot besteht im Steuerrecht regelmäßig nur dann, wenn der Gesetzgeber durch eine Vorschrift den Umfang der Besteuerung erkennbar abschließend regeln wollte.
- Bringt ein Gesetz das erkennbare Konzept des Gesetzgebers nur lückenhaft zum Ausdruck, ist der unvollständige Gesetzestext im Rahmen der Analogie durch die Gerichte zu einem stimmigen Konzept zu ergänzen.
- Ist ein Sperrbetrag durch den Erwerb der Anteile von einer nichtanrechnungsberechtigten Kapitalgesellschaft entstanden, die ihren Sitz in einem Nicht - Mitgliedsstaat der EG hat, greift der Schutz der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit des EG-Vertrages nicht ein.
- Die Sicherung der Einmalbesteuerung von Gewinnen inländischer Gesellschaften ist ein sachgerechtes Kriterium, das eine Differenzierung in § 50c EStG nach dem Sitz der Gesellschaft rechtfertigt.
Normenkette
EStG § 50c; UmwStG § 13 Abs. 4; EG Art. 43, 56 Abs. 1; BGB § 242
Streitjahr(e)
1995, 1996, 1997
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung eines Sperrbetrages nach § 50 c Einkommensteuergesetz (EStG) bei der Ermittlung des Übernahmegewinns im Rahmen einer Verschmelzung.
Die Klägerin wurde am 20.11.1995 als „X-Ltd. und Co.”, einer der deutschen Offenen Handelsgesellschaft entsprechenden Gesellschaftsform, errichtet. Nach Änderung der Firma in „X-Bank” am 30.01.1997 änderte sie mit Handelsregistereintrag vom 15.09.1998 ihre Firma in „X-Bank „ und mit Handelsregistereintrag vom 27.10.1999 schließlich in die heutige Firma. Gesellschafter waren neben der X-Ltd. die X-Verwaltungs GmbH sowie Y, der im Mai 1998 von Z als persönlich haftender Gesellschafter abgelöst wurde. Die X-Ltd. leistete als einzige eine Kapitaleinlage von 130.000,-- DM und ist zu 100% am Gewinn und Verlust beteiligt. Gegenstand des Unternehmens war zunächst die Verwaltung von Beteiligungen und sonstigem Vermögen. Seit 1996 betreibt die Klägerin Bankgeschäfte.
Mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom 19.12.1995 erwarb die Klägerin von der A-GmbH (Amsterdam) alle Geschäftsanteile an der ehemaligen B-Holding (Deutschland) GmbH (nachfolgend B oder ggf. Tochtergesellschaft genannt).
Die B war zu diesem Zeitpunkt alleinige Gesellschafterin der ehemaligen X-Bank (Deutschland) GmbH (nachfolgend X oder ggf. Enkelgesellschaft genannt), deren Anteile sie von der nicht körperschaftsteueranrechnungsberechtigten B-AG, Schweiz (B-AG) am 31.12.1993 erworben hatte. Dieser Erwerb führte bei den Anteilen zu einem Sperrbetrag i.S.v. § 50c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Höhe des Sperrbetrages berechnete der Beklagte (das Finanzamt) - von der Klägerin unbeanstandet - wie folgt:
Anschaffungskosten (insbesondere Kaufpreis) der B für die Anteile |
79.850.000,-- DM |
./. Nennwert der Anteile |
30.000.000,-- DM |
./. vorhandene Rücklagen |
5.723.573,-- DM |
Sperrbetrag |
44.126.427,-- DM. |
Mit Verschmelzungsverträgen vom 29.08.1996 wurde zunächst die X auf die B und anschließend die B auf die Klägerin verschmolzen. Steuerlicher Umwandlungsstichtag war in beiden Fällen der 31.12.1995. Die Vermögensübertragung erfolgte mittels Gesamtrechtsnachfolge im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme. Die handelsrechtlich wirksame Eintragung der Verschmelzung ins Handelsregister wurde in 1997 vorgenommen.
Vor Abschluss der Verschmelzungsverträge hatte die B mit Antrag vom 24.01.1995, auf dessen Inhalt (Bl. 11 ff. des roten Hefters „B...”) Bezug genommen wird, beim damals für sie zuständigen Finanzamt FA 1 die Erteilung einer verbindlichen Auskunft hinsichtlich der steuerlichen Auswirkungen der geplanten gesellschaftlichen Reorganisationsmaßnahmen, insbesondere der Auswirkungen der Verschmelzung auf den Sperrbetrag beantragt. Nach mehreren Gesprächen und geführtem Schriftwechsel teilte das Finanzamt mit Schreiben vom 30.05.1996 (Bl. 24 des roten Hefters) mit, dass der vorgetragene Sachverhalt nicht Gegenstand einer verbindlichen Auskunft sein könne. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung der Sache sei man aber bereit, im Rahmen eines Arbeitsgesprächs über die verschiedenen Aspekte unverbindlich zu reden. Die Zuständigkeiten anderer Finanzämter blieben davon unberührt. Nachdem weitere Sachverhaltsermittlungen vorgenommen worden waren, teilte das Finanzamt mit Schreiben der zuständigen Sachgebietsleiterin vom 21.08.1996 (Bl. 50 des roten Hefters) mit, dass für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft nach eingehender Prüfung des Antrags kein Raum verbleibe, da die im Antrag aufgeworfenen Rechtsfragen durch den Gesetzeswortlaut eindeutig i.S. der von der B vertretenen Rechtsauffassung beantwortet worden seien und somit die künftige steuerliche Behandlung des Sachverhalts nicht rechtlich zweifelhaft sei. Weiterhin teilte das ...