Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialplan. Sozialplanabfindung. Altersdiskriminierung. Ermessen
Leitsatz (redaktionell)
1. Für zeitlich vor dem Inkrafttreten des AGG liegende Benachteiligungen ist die alte Rechtslage weiter anzuwenden.
2. Zu den Auswirkungen des EG-rechtlich gebotenen Verbots der Altersdiskriminierung und der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs zur Zulässigkeit von leistungsbeschränkenden Differenzierungen wegen des Alters in Sozialplanklauseln.
Normenkette
BetrVG §§ 75, 112; AGG § 33; Rl. 2000/78/EG Art. 1; Rl. 2000/78/EG Art. 2; Rl. 2000/78/EG Art. 6
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 02.08.2006; Aktenzeichen 9 Ca 8174/05) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 02. August 2006 – 9 Ca 8175/05 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe einer Sozialplanabfindung.
Die Beklagte betrieb Facility Management in den Einrichtungen der A auf dem Flughafen B. Sie beschäftigte mindestens 200 Arbeitnehmer. Vier von ihnen hatten am 31. Dezember 2005 ihr 62. Lebensjahr vollendet, darunter der am 19. Juli 1943 geborene Kläger. Der verheiratete und einem Kind gegenüber unterhaltsverpflichtete Kläger war für die Beklagte und deren Rechtsvorgängerin seit 01. April 1995 als Leiter der Bauüberwachung zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 3.708,18 EUR tätig. Die Beklagte legte den Betrieb aufgrund des Abzugs der A zum 31. Dezember 2005 still. Aus diesem Anlass kamen am 03. Juni 2004 aufgrund eines Einigungsstellenspruchs ein Interessenausgleich und ein Sozialplan zustande. Gemäß Ziff. l 1 des Sozialplans (nachfolgend SP) galt dieser für alle in ungekündigten und unbefristeten Arbeitsverhältnissen stehenden Arbeitnehmer des Betriebes, die von der im Interessenausgleich beschriebenen Betriebsänderung betroffen sind. Zu den in Ziff. l 2 SP vorgesehenen Ausnahmen zählten Arbeitnehmer, die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses übergangslos Altersruhegeld oder vergleichbare Leistungen der Altersversorgung beziehen konnten oder die zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 65. Lebensjahr vollendet hatten. Unter ll SP wurde zur Zahlung von Abfindungen unter anderem Folgendes geregelt:
„Anspruchsberechtigung
Mitarbeiter, denen aufgrund der im Interessenausgleich vom heutigen Tage beschriebenen Betriebsänderung aus betriebsbedingten Gründen arbeitgeberseitig gekündigt wird bzw. die aus dem gleichem Grund einen Aufhebungsvertrag mit dem Arbeitgeber abschließen, erhalten eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes nach diesem Sozialplan.
2. Abfindungsformel
Für Abfindungen werden insgesamt 4,5 Mio. EUR zur Verfügung gestellt. Weichen die tatsächlich erforderlichen Abfindungen nach a) und b) um mehr als 1 % von diesem Volumen ab, gilt Folgendes:
Ein Minderbetrag wird zur Hälfte in den Härtefonds eingestellt. Bei Überschreiten werden die Abfindungen gemäß a) und b) angepasst. Kommt eine Einigung zwischen den Betriebsparteien nicht zustande, entscheidet die Einigungsstelle entsprechend § 112 BetrVG. Die Aufwendungen für die Einigungsstelle werden wie Abfindungen behandelt.
Die Abfindung für Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt der Beendigung des Anstellungsverhältnisses das 62. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, berechnet sich nach folgender Formel:
Alter × Betriebszugehörigkeit × Bruttomonatsentgelt |
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Berechnungsgrundlage für Lebensalter und Betriebszugehörigkeit der Mitarbeiter sind der Eintrittsmonat und der Monat der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Berechnung anteiliger Jahre erfolgt bis auf zwei Stellen hinter dem Komma.
Das für die Berechnung maßgebliche Bruttomonatsentgelt entspricht dem monatlichen Festlohn oder Gehalt … zuzüglich einer außertariflichen Zulage sowie eines etwaigen Regionalzuschlags – soweit dieser nicht bereits im Lohn/Gehalt enthalten ist –, ohne pauschale oder anderweitige Zulagen und Zuschläge.
Der für die Errechnung der Abfindung maximal zu berücksichtigende Bruttobetrag liegt bei 3.500 EUR.
- Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt der Beendigung des Anstellungsverhältnisses das 62. Lebensjahr vollendet haben, erhalten als Abfindung 80 % der Summe der bei Fortbestehen des Anstellungsverhältnisses bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zu zahlenden Nettomonatsentgelte im Sinne von a) (ohne Kappung) abzüglich des von der Bundesagentur für Arbeit zu zahlenden Arbeitslosengeldes. Die Gesellschaft wird die Höhe des Arbeitslosengeldes nach bestem Wissen und Gewissen im voraus ermitteln und die Höhe der Abfindungszahlung berechnen. Auf der Lohnsteuerkarte eingetragene Freibeträge bleiben bei der Ermittlung des fiktiven Nettoeinkommens unberücksichtigt.
- Die Abfindungszahlung wird frühestens fällig mit rechtswirksamer Beendigung des Arbeitsverhältnisses.”
Gemäß Ziff. ll 3 SP erhöhte sich die Abfindung für jedes unterhaltberechtigte Kind um 1.000 EUR. Gemäß Ziff. ...