Entscheidungsstichwort (Thema)
Benachteiligung. Entschädigung. fachliche Eignung. Schwerbehinderung. Vorstellungsgespräch. Diskriminierung wegen Schwerbehinderung. Fachliche Eignung
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach den allgemeinen Regeln der Darlegungs- und Beweislast muss ein schwerbehinderter Bewerber, der eine Entschädigungszahlung wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot geltend macht, darlegen, dass er beim Auswahl- bzw. Einstellungsverfahren wegen seiner Behinderung benachteiligt worden ist. Dazu genügt es, Indizien zu beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grunds vermuten lassen.
2. Gewinnt das Gericht die Überzeugung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen der Behinderung und dem Nachteil, muss der andere Teil beweisen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutze vor Benachteiligung vorgelegen hat. Hierzu muss sie Umstände darlegen, die den Schluss zulassen, dass die Behinderung in dem Motivbündel, das die Entscheidung beeinflusst hat, nicht als negatives Merkmal enthalten war.
3. Ein schwerbehinderter Bewerber muss bei einem Öffentlichen Arbeitgeber die Chance eines Vorstellungsgesprächs bekommen, wenn seine fachliche Eignung zweifelhaft, aber nicht ausgeschlossen ist.
Normenkette
AGG § 15; SGB IX § 82; AGG §§ 1, 7, 15 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 28.01.2010; Aktenzeichen 11 Ca 7932/09) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28. Januar 2010 – 112 Ca 7932/09 – abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 2.700,00 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine Entschädigung wegen Diskriminierung.
Die A ist eine dem Bundesminister des Inneren (im folgenden BMI) unterstellte Behörde der Beklagten. Sie schrieb am 13. März 2009 eine Stelle als Pförtner/in/Wächter/in aus, welche mit der Entgeltgruppe 3 des Tarifvertrages für den Öffentlichen Dienst (TVöD) bewertet wurde. Zu Aufgabengebiet und Anforderungen heißt es dort:
Das Aufgabengebiet beinhaltet:
- Kontrolle des ein- und ausgehenden Personenverkehrs sowie des ein- und ausfahrenden Kfz-Verkehrs einschließlich Kontrolle der entsprechenden Ausweise sowie der Berechtigung zum Aufenthalt in der Liegenschaft
- Empfang und Anmeldung von Besuchern, Erteilen von Auskünften
- Bestreifung des Geländes der Liegenschaft B
Anforderungen:
- Bereitschaft zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung in Form eines Regeldienstes rund um die Uhr (Früh-, Spät- und Nachtdienst)
- gepflegtes Erscheinungsbild, überzeugendes und sicheres Auftreten sowie gute Umgangsformen
- körperliche Eignung
- gute Deutschkenntnisse in Wort und Schrift
- Erfahrungen oder Ausbildung im Bereich des Wach- und Sicherheitsdienstes vorteilhaft
- Bereitschaft zum Führen einer Schusswaffe
- Führungszeugnis ohne Eintrag (braucht in der Bewerbung noch nicht vorgelegt werden!)
Im Rahmen der Stellenbesetzungen werden die Gleichstellungsbeauftragte und die Vertrauensperson der Schwerbehinderten beteiligt. Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt, es wird ein Mindestmaß an körperlicher Eignung verlangt.
Wegen der Einzelheiten der Ausschreibung wird auf Blatt 5, 6 d. A. verwiesen.
Das BMI wendet in seinem Geschäftsbereich die „Rahmenvereinbarung zur Integration Schwerbehinderter und diesen gleichgestellten behinderten Menschen im Bundesministerium des Innern und den Behörden seines Geschäftsbereichs (einschließlich BGS)” vom 18. März 2004 an. Die Vereinbarung versteht sich nach ihrer Überschrift als Integrationsvereinbarung im Sinne des § 83 SGB IX. Sie ist sowohl von Vertretern des BMI wie auch von der Gleichstellungsbeauftragten, den Vertretern von Hauptschwerbehindertenvertretung (BMI und BGS), der Schwerbehindertenvertretung beim BMI, dem Hauptpersonalrat beim BMI, dem Personalrat beim BMI sowie auch vom BGS-Hauptpersonalrat unterzeichnet (Bl. 44 – 55 Rückseite der Akte). Ziffer 4.2.4 Absatz 5 dieser Rahmenvereinbarung lautet wie folgt:
„Schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber sind zu Auswahlverfahren zuzulassen, es sei denn, dass sie nach den vorgelegten Unterlagen für eine Verwendung auf Grund bestehender Ausbildungs- oder Prüfungsvoraussetzungen offensichtlich nicht geeignet erscheinen. Von einer Einladung zum Auswahlverfahren ist abzusehen, wenn zwischen Zentralabteilung, Schwerbehindertenvertretung und Gleichstellungsbeauftragter Einvernehmen besteht, dass die Bewerberin oder der Bewerber für den freien Arbeitsplatz nicht in Betracht kommt. Der Personalrat ist vor dieser Entscheidung anzuhören.”
Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad von 60. Er bewarb sich mit Schreiben vom 16. März 2009 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle als Pförtner/Wächter. In seiner Bewerbung heißt es u. a.:
„Ich bin 43 Jahre alt und habe ausreichend Ber...