Prof. Dr. Andreas Ransiek
a) Bedeutung der Abgrenzung
Rz. 66
Da § 257 StGB ebenso wie § 27 StGB die Unterstützung eines anderen Täters mit Strafe bedroht, ist eine Abgrenzung der Beihilfe zur Begünstigung sowohl erforderlich als auch problematisch. Im Steuerstrafrecht gilt das insb. deshalb, da die Selbstanzeige nach § 371 AO nur für § 27 StGB, § 370 AO strafaufhebende Wirkung haben kann, nicht aber für die Begünstigung nach § 257 StGB. Die Annahme von Beihilfe ist insofern für den Betroffenen also günstiger. Andererseits bezieht die Haftungsregelung des § 71 AO ausschließlich den Teilnehmer an einer Steuerstraftat mit ein. Zudem ist der subjektive Tatbestand des § 257 StGB durch die Notwendigkeit der Vorteilssicherungsabsicht voraussetzungsvoller als der der Beihilfe. Aus § 257 Abs. 3 Satz 1 StGB lässt sich jedenfalls folgern, dass der Bestrafung wegen Teilnahme an der Vortat Vorrang zukommt und sie eine Bestrafung wegen Begünstigung sperrt.
Rz. 67
§ 257 StGB kann dabei nach seinem Wortlaut erst dann greifen, wenn eine Vortat bereits begangen wurde. Da auch eine Vorbereitungshandlung oder ein Versuch mit Strafe bedroht sein kann, ist es insofern jedenfalls theoretisch denkbar, dass § 257 StGB einschlägig ist. Es wird allerdings in aller Regel ausgeschlossen sein, dass der Vortäter in dieser Phase der Tatbegehung bereits einen Vorteil erlangt hat, der durch den Begünstiger gesichert werden könnte. Ist etwa der Hinterziehungserfolg nach § 370 Abs. 1 AO noch nicht eingetreten, ist nicht erkennbar, welche Vorteile gesichert werden könnten. Wird dem Täter nach Versuchsbeginn geholfen, den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeizuführen und damit einen Vorteil zu erlangen, liegt Beihilfe und keine Begünstigung vor. Hilfe zur Vollendung der Vortat ist damit allein nach § 27 StGB strafbar. In der Zusage, nach Tatvollendung oder -beendigung helfen zu wollen, kann psychische Beihilfe liegen. Ebenso unstreitig ist es, dass eine erst nach Beendigung der Vortat geleistete Hilfe allein unter § 257 StGB fallen kann.
b) Hilfe zwischen Vollendung und Beendigung der Tat
Rz. 68
Insbesondere die Rspr. geht davon aus, dass eine nach § 27 StGB strafbare Beihilfe auch in dem Zeitraum zwischen Vollendung und Beendigung der unterstützten Tat möglich ist. Nach dem vom BGH in st. Rspr. angewendeten materiellen Beendigungsbegriff liegt die Beendigung der Tat erst dann vor, wenn der Täter sein rechtsverneinendes Tun insgesamt abschließt, das Tatunrecht also in vollem Umfang verwirklicht ist. Die Beendigung der Tat knüpft danach nicht an die Verwirklichung tatbestandlich umschriebener Merkmale nach Vollendung der Tat an, sondern zur Tatbeendigung zählen solche Umstände, die das materielle Unrecht der Tat vertiefen, weil sie den Angriff auf das geschützte Rechtsgut abschließen, perpetuieren oder intensivieren. Der Betrug ist bspw. materiell erst dann beendet, wenn der erstrebte Vermögensvorteil beim Täter eingetreten ist, etwa eine vom Getäuschten geleistete Zahlung vorbehaltlos auf seinem Konto gutgeschrieben wird. Bis dahin ist strafbare Beihilfe möglich. Die Hilfeleistung i.S.d. § 27 StGB wird also nicht auf den eigentlichen tatbestandlichen Erfolg bezogen, sondern auf die (Gesamt-)Tat als Lebenssachverhalt. Der BGH fragt dann weiter, ob der Helfer den erfolgreichen Abschluss der Haupttat fördern oder den Vortäter vor dem Verlust des bereits erlangten Vorteils schützen will. Im ersten Fall soll § 27 StGB einschlägig sein, im zweiten § 257 StGB. Da nicht erkennbar ist, wie eine solche Differenzierung sinnvoll getroffen werden könnte, spricht bei diesem Ausgangspunkt aber viel dafür, wegen § 257 Abs. 3 Satz 1 StGB der Beihilfestrafbarkeit für alle Hilfeleistungen zwischen Vollendung und Beendigung der Vortat Vorrang einzuräumen. Die in Abs. 3 Satz 1 in Bezug auf die Begünstigung vorgesehene Straflosigkeit des an der Vortat Beteiligten (Mittäter, Teilnehmer) beruht auf dem Gedanken der mitbestraften Nachtat; daher tritt keine Straflosigkeit ein, wenn die Beteiligung an der Vortat nicht erwiesen ist. Teilt man den Ausgangspunkt ohnehin nicht und verneint man § 27 StGB für Hilfeleistungen im Zeitraum zwischen Vollendung der Haupttat und ihrer Beendigung, kann hingegen nur § 257 StGB greifen.
Rz. 69
Von praktischer Relevanz ist diese Frage im Steuerstrafrecht beim Bannbruch (§ 372 AO), wo formelle Vollendung und materielle Beendigung zeitlich auseinanderfallen können (s. § 372 Rz. 72). Ähnliches gilt für die Steuerhehlerei (§ 374 AO) und die Steuerzeichenfälschung (s. Rz. 35 ff.), die zwar bereits mit Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung vollendet sind, deren Beendigung ggf. aber erst mit Realisierung der im Tatbestand beschriebenen Absicht eintritt. Von Bedeutung ist die Frage, wie eine Unterstützungshandlung in dem Zeitraum zwischen Vollendung und Beendigung der Tat rechtlich zu qualifizieren ist, vor allem im Hinblick auf die jeweils in Betracht kommenden Tatfolgen: Der Strafrahme...