Rz. 568
Die Ausschlusswirkung des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b AO wird nicht bereits durch die Einleitung des Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens, sondern erst durch die Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung ausgelöst.
Beispiel
Die Steufa hat gegen den Stpfl. S per Aktenvermerk das Strafverfahren wegen des Verdachts der Zinssteuerhinterziehung eingeleitet, dies aber dem S noch nicht eröffnet. S hat von privater Seite "davon Wind bekommen" (s. Rz. 569). Er kann noch wirksam Selbstanzeige gem. § 371 AO erstatten.
a) Amtliche Mitteilung
Rz. 569
Die Bekanntgabe setzt die amtliche Mitteilung der FinB oder der Strafverfolgungsorgane an den Täter oder seinen Vertreter voraus, dass gegen ihn strafrechtliche Ermittlungen durchgeführt werden. Sie muss gem. § 397 Abs. 3 AO spätestens dann erfolgen, wenn der Beschuldigte zur aktiven Mitwirkung bei der Ermittlung aufgefordert wird (s. auch § 10 BpO; vgl. § 397 Rz. 39.2). Die Einleitung des Strafverfahrens muss dem Täter offiziell mitgeteilt werden, d.h. die Bekanntgabe muss mit Wissen und Wollen der Behörde erfolgen, die in dem betreffenden Zeitpunkt Herrin des Verfahrens ist. Eine private Mitteilung, etwa in einem Stammtischgespräch, oder Informationen, die dem Stpfl. infolge einer Indiskretion bekanntwerden, genügen nicht.
b) Form
Rz. 570
Eine bestimmte Form schreibt das Gesetz für die Bekanntgabe nicht vor. Sie kann schriftlich oder mündlich erklärt werden, wobei allerdings zu beachten ist, dass dem Täter im Strafverfahren nachgewiesen werden muss, dass ihm die Einleitung eines Strafverfahrens mitgeteilt worden ist (vgl. zur Geltung des Grundsatzes in dubio pro reo bereits Rz. 556 ff.). Maßnahmen, für die die StPO – als Teil eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens – eine besondere Form vorsieht, lassen – sofern sie ausreichend konkret abgefasst sind, s. dazu Rz. 563 ff., 571 f. – bereits aufgrund ihres Inhalts und ihrer Form erkennen, dass gegen denjenigen, gegen den sie sich richten, ein Strafverfahren anhängig ist.
Rz. 571
Dies ist bspw. der Fall bei der Durchführung einer Durchsuchung (s. dazu Rz. 564, 582 f.) oder Beschlagnahme. Bei der verantwortlichen Vernehmung des Beschuldigten gem. § 163a StPO ist diesem ohnehin bereits zu Beginn zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen (§ 163a Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 1 StPO). Der Beschuldigte ist zudem gem. § 163a Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 2–4 StPO, § 393 Abs. 1 Satz 4 AO zu belehren.
Rz. 572
Entsprechendes gilt gem. § 10 BpO vom 15.3.2000, wenn sich anlässlich einer Außenprüfung (vgl. § 199 AO) der Verdacht einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit ergibt.
§ 10 BpO Verdacht einer Steuerstratat oder -ordnungswidrigkeit
(1) Ergeben sich während einer Außenprüfung zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat (§ 152 Abs. 2 StPO), deren Ermittlung der Finanzbehörde obliegt, so ist die für die Bearbeitung dieser Straftat zuständige Stelle unverzüglich zu unterrichten. Dies gilt auch, wenn lediglich die Möglichkeit besteht, dass ein Strafverfahren durchgeführt werden muss. Richtet sich der Verdacht gegen den Steuerpflichtigen, dürfen hinsichtlich des Sachverhalts, auf den sich der Verdacht bezieht, die Ermittlungen (§ 194 AO) bei ihm erst fortgesetzt werden, wenn ihm die Einleitung des Strafverfahrens mitgeteilt worden ist. Der Steuerpflichtige ist dabei, soweit die Feststellungen auch für Zwecke des Strafverfahrens verwendet werden können, darüber zu belehren, dass seine Mitwirkung im Besteuerungsverfahren nicht mehr erzwungen werden kann (§ 393 Abs. 1 AO). Die Belehrung ist unter Angabe von Datum und Uhrzeit aktenkundig zu machen und auf Verlangen schriftlich zu bestätigen (§ 397 Abs. 2 AO).
(2) Absatz 1 gilt beim Verdacht einer Ordnungswidrigkeit sinngemäß.
Rz. 573
Die Bekanntgabe kann auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen, das objektiv erkennbar als strafverfahrensrechtliche Maßnahme zur Ermittlung einer Steuerstraftat zu deuten ist. Das ist insb. bei einer Verhaftung oder vorläufigen Festnahme (§§ 114 ff., § 127 StPO) der Fall.
Beispiel 6
A wurde von dem Zollassistenten X dabei betroffen, wie er an der Zollgrenze Zigaretten ins Zollinland zu schmuggeln versuchte. X beschlagnahmte die Zigaretten und nahm A fest.
Die nach der Festnahme der zuständigen Behörde zugegangene Selbstanzeige war unwirksam. Da eine Festnahme nur im Rahmen eines Strafverfahrens zulässig ist, bedeutet sie eindeutig, dass eine steuerstrafrechtliche Untersuchung schwebt, und enthält gleichzeitig deren Mitteilung an den Betroffenen. Das OLG Bremen hat aus diesem Grund der nach Einleitung der strafrechtlichen Untersuchung erstatteten Selbstanzeige die strafbefreiende Wirkung versagt.
Rz. 574
Beispiel 7
A hat sich durch verspätete Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen der Steuerhinterziehung schuldig gemacht. Nachdem er die erforderlichen Angaben in einer Umsa...