Rz. 233
Nach wie vor ungeklärt ist die Frage, wie nach der Änderung des § 371 AO durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz undolose Teilselbstanzeigen zu behandeln sind. Nach der früheren Rechtslage (s. Rz. 205 ff.) kam dieser Fragestellung keine Bedeutung zu, da die Teilselbstanzeige, gleich ob sie dolos oder undolos erstattet wurde, in jedem Fall im Umfang der korrigierten Angaben zur Straffreiheit führte.
Eine undolose Teilselbstanzeige liegt vor, wenn der Stpfl. eine Selbstanzeige im guten Glauben auf deren Vollständigkeit abgibt, die korrigierten Angaben tatsächlich jedoch unvollständig sind. Die Teilselbstanzeige wird also nicht bewusst als Teil einer Hinterziehungsstrategie eingesetzt.
Rz. 234
Die Begründung des ursprünglichen Entwurfs des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes sah vor, dass unbewusste Unrichtigkeiten und Unvollständigkeiten nicht zum Ausschluss der Straffreiheit führen sollten. Danach sollte Straffreiheit lediglich dann nicht gewährt werden, wenn bewusst nur ausgewählte Sachverhalte nacherklärt werden, etwa weil genau deren Entdeckung unmittelbar befürchtet wird. Ein bewusstes Taktieren des Stpfl. sollte mithin unterbunden werden. Diese Ausführungen bezogen sich jedoch auf jene Neufassung des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO, die letztlich nicht umgesetzt wurde. Der heutige Gesetzeswortlaut des § 371 AO differenziert nicht zwischen dolosem und undolosem Handeln. Durch das alleinige Abstellen auf die Vollständigkeit der Berichtigungserklärung spricht er gar gegen die Wirksamkeit undoloser Teilselbstanzeigen. In den Beratungen des Finanzausschusses zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz haben die Koalitionsfraktionen dagegen betont, dass auch die unbewusst unvollständige Selbstanzeige zur Straffreiheit führen solle, ohne dies aber ausdrücklich im Gesetzeswortlaut festgeschrieben zu haben.
Rz. 235
Im Ergebnis muss eine undolose Teilselbstanzeige m.E. aus den nachfolgenden Gründen auch künftig zur Straffreiheit führen. Die gesetzliche Abschaffung der Teilselbstanzeige erfolgte mit dem ausgesprochenen Ziel, ein Taktieren und "Reue" nach Stand der Ermittlungen nicht zu belohnen. Ein Stpfl., der eine undolose Teilselbstanzeige abgibt, taktiert jedoch nicht, sondern handelt in der Absicht und dem guten Glauben, durch seine Nacherklärung, wie von Gesetzes wegen verlangt, vollständig in die Steuerehrlichkeit zurückzukehren. Würde der undolosen Teilselbstanzeige die Wirksamkeit abgesprochen, würde der gutgläubig handelnde Stpfl. dem dolos handelnden Stpfl. gleichgestellt und die subjektiv beabsichtigte vollständige Offenlegung der unrichtigen Angaben nicht honoriert. Es ist daher sach- und interessengerecht, die undolose Teilselbstanzeige im Umfang der Nacherklärung auch künftig anzuerkennen. Im Übrigen dürfen an den Inhalt einer Selbstanzeige keine strengeren Maßstäbe angelegt werden als im Steuerermittlungsverfahren, bei dem es genügt, dass der Stpfl. sich nach bestem Wissen und Gewissen bemüht, seine Erklärungen richtig und rechtzeitig abzugeben.
Rz. 236
Folgte man dem nicht, wären sowohl die teilweise Offenlegung der unrichtigen Angaben als auch die fehlende Absicht, eine Teilselbstanzeige abzugeben, bei der Strafzumessung zugunsten des Stpfl. zu berücksichtigen.