Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 159
Ein Absehen von der Verfolgung nach dem sog. Schmuggelprivileg des § 32 ZollVG (s. dazu § 382 Rz. 63 f.) ist nach der seit 16.3.2017 geltenden Fassung gem. § 32 Abs. 2 ZollVG für den Qualifikationstatbestand des § 373 AO ausdrücklich ausgeschlossen. Im Übrigen handelt es sich auch nicht mehr um ein obligatorisches Verfolgungshindernis, sondern um eine bloße Ermessensvorschrift ("sollen").
Rz. 160
Bei einer Ordnungswidrigkeit gem. § 37 TabStG (Schwarzhandel mit Zigaretten zum eigenen Bedarf in einer geringen Menge von 1.000 Stück) sind die Strafschärfungsgründe des § 373 AO ausgeschlossen (§ 37 Abs. 1 Satz 2 TabStG). In der Praxis sind solche Fälle aber wohl nicht denkbar.
Rz. 161
In minder schweren Fällen (§ 373 Abs. 1 Satz 2 AO) kann das Verfahren gem. §§ 153, 153a StPO oder § 398 AO eingestellt werden.
Rz. 162
Durch Strafbefehl können Taten nach § 373 AO nur geahndet werden, wenn nach § 41 StGB oder § 47 Abs. 2 StGB (s. Rz. 122) statt einer Freiheitsstrafe eine Geldstrafe verhängt werden soll oder bei einem verteidigten Angeklagten eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr auf Bewährung angeordnet werden soll (vgl. § 407 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 StPO). Im Strafbefehl kann bei einer Geldstrafe aber das Höchstmaß von 360 Tagessätzen (§ 40 Abs. 1 StGB) oder bei Gesamtstrafe von 720 Tagessätzen (§ 54 Abs. 2 StGB) ausgeschöpft werden, obwohl dies zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von fast zwei Jahren führen kann (§ 43 Satz 2 StGB). Diese Möglichkeit besteht zwar nach der Gesetzeslage, sollte aber in der Praxis dazu führen, in entsprechenden Fällen die Vollstreckung auf ein Jahr zu begrenzen bzw. vom Erlass eines Strafbefehls ganz abzusehen (s. auch § 400 Rz. 84, 69).
Rz. 163
Eine effiziente Ermittlungsmaßnahme der Zollbehörden bei Schmuggeltaten ist auch der sog. kontrollierte Transport bei Durchfuhr, Einfuhr oder Ausfuhr von Schmuggelware. Dabei wird z.B. ein Container mit Schmuggelware von Beginn des Transports an von Zollfahndern begleitet, um zu ermitteln, wohin er verbracht wird und wer die Verantwortlichen sind. Es handelt sich dabei um eine längerfristige Observation gem. §§ 160, 161 StPO i.V.m. Nr. 29a, 29b RiStBV.
Rz. 164
Der gewerbsmäßige, gewaltsame und bandenmäßige Schmuggel nach § 373 AO ist seit 2008 eine Katalogtat für eine TKÜ (§ 100a Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b StPO). Speziell der organisierte Schmuggel wird in weiten Teilen unter Einsatz von Telekommunikationsmitteln durchgeführt, so dass eine Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation gem. § 100a Abs. 1, 2 Nr. 2 Buchst. b StPO und die Erhebung von Verkehrsdaten, Standortdaten in Echtzeit zur Aufenthaltsermittlung im Mobilfunknetz gem. § 100g Abs. 1 und 2 StPO i.V.m. §§ 176–181 TKG effektive Maßnahmen sind (s. nähere Einzelheiten zur Vorratsdatenspeicherung bei § 385 Rz. 404 ff., 436 f.).
Der Umweg über die Tatbestände der Geldwäsche (§ 261 StGB) oder der kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) bei organisiertem Schmuggel ist damit nicht mehr nötig.
Rz. 164.1
Die Verurteilung wegen banden- und gewerbsmäßigem Zigarettenschmuggel kann auch auf Erkenntnisse aus TKÜ-Maßnahmen im Ausland gestützt werden. Die Frage nach einem Verwertungsverbot der im Wege der Rechtshilfe erlangten Beweise beurteilt sich dabei nach inländischem Recht (s. § 370 Rz. 1561.1 und krit. zur restriktiven BGH-Rspr. § 385 Rz. 1080 f.; § 399 Rz. 1281 ff.).
Rz. 165
Zufallserkenntnisse einer TKÜ, die nicht eine Katalogtat i.S.d. § 100a StPO betreffen, unterliegen einem strafprozessualen Verwertungsverbot; sie können aber Anlass zu weiteren Ermittlungen zur Gewinnung neuer Beweismittel sein. Katalogtat gem. § 100a Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a StPO ist aber auch die Steuerhinterziehung unter den in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO genannten Voraussetzungen (bandenmäßige Hinterziehung von Umsatzsteuer oder Verbrauchsteuer).
Rz. 165.1
Bezüglich von Erkenntnissen aus dem Kernbereich der privaten Lebensführung besteht gem. § 100d Abs. 2 Satz 1 StPO ein Verwertungsverbot.
Rz. 166
Eine sog. Quellen-TKÜ (s. dazu § 385 Rz. 403 ff.) ist auch bei einem Schmuggel nach § 373 AO möglich (§ 100a Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b StPO), z.B. bei gewerbsmäßigem Zigarettenschmuggel.
Rz. 166.1
Dagegen scheidet – wie generell bei Steuerdelikten – eine Online-Durchsuchung (§ 100b StPO, s. dazu § 385 Rz. 428) aus.
Rz. 167
Gemäß § 393 Abs. 3 AO können Erkenntnisse, die die StA oder die FinB rechtmäßig im Rahmen (steuer-)strafrechtlicher Ermittlungen gewonnen haben, im Besteuerungsverfahren verwendet werden. Dies gilt auch für aus einer rechtmäßigen TKÜ gewonnene (Zufalls-)Erkenntnisse. Die Entscheidung des BFH zum steuerlichen Verwertungsverbot für aus einer unzulässigen TÜ gewonnene Erkenntnisse über einen Zigarettenschmuggel ist dadurch überholt (s. auch Rz. 140).
Rz. 168
Gewerbsmäßige ...