Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 38
Die in § 375 Abs. 2 AO vorgesehene Einziehung von Gegenständen und Beförderungsmitteln erlangt vor allem im Bereich der Zollstraftaten Bedeutung. Die Vorschrift geht einerseits über § 74 Abs. 1 StGB insoweit hinaus, als sie die Einziehung von Gegenständen ermöglicht, die keine Tatprodukte (sog. producta sceleris) oder Tatmittel (sog. instrumenta sceleris) sind (sog. Beziehungsgegenstände). Andererseits bleibt sie aber auch hinter § 74 StGB zurück, da dieser – anders als § 375 Abs. 2 AO – auch die Einziehung von Rechten erlaubt. Da § 375 Abs. 2 AO als Sonderregelung den allgemeinen Einziehungsvorschriften der §§ 74 ff. StGB vorgeht, lässt er deren sonstige Anwendbarkeit unberührt (vgl. § 369 Abs. 2 AO).
Rz. 39
Die Einziehung gem. § 375 Abs. 2 AO kann nur i.V.m. der Begehung oder dem Versuch einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO), eines Bannbruchs nach § 372 Abs. 2, § 373 AO oder einer Steuerhehlerei (§ 374 AO) angeordnet werden, nicht jedoch bei Begünstigung einer Person, die eine der vorstehend genannten Taten begangen hat. In Anbetracht der in § 375 Abs. 2 Nr. 1 AO bezeichneten Gegenstände der Einziehung (s. Rz. 42 ff.) ist eine Steuerhinterziehung nur bezogen auf Einfuhr-/Ausfuhrabgaben und Verbrauchsteuern denkbar. Die Einziehung in den Fällen des Bannbruchs und Schmuggels setzt voraus, dass sich die Strafbarkeit aus der AO ergibt. Ist die Tat nach anderen Vorschriften über Zuwiderhandlungen gegen ein Ein-, Aus- und/oder Durchfuhrverbot strafbewehrt, bestimmt sich die Einziehung nach dem jeweiligen Verbotsgesetz (z.B. § 54 WaffG, § 13 Abs. 2 und 3, § 24 KrWaffKontrG, § 33 BtMG) oder dem StGB (z.B. § 74 Abs. 1, § 74d StGB).
Rz. 39.1
Auf Ordnungswidrigkeiten ist § 375 AO nicht anwendbar. Auch bei Ordnungswidrigkeiten dürfen Gegenstände eingezogen werden, wenn ein Gesetz dies ausdrücklich zulässt (§ 22 Abs. 1 OWiG). Das ist aber bei §§ 378–383b AO nicht der Fall.
Rz. 39.2
Sondervorschriften gibt es aber in Einzelsteuergesetzen, wie z.B. in § 37 Abs. 3 TabStG (Einziehung von schwarzgehandelten Zigaretten von nicht mehr als 1.000 Zigaretten pro Tat). Auch im Jugendstrafrecht findet § 375 Abs. 2 AO uneingeschränkte Anwendung.
Rz. 40
Für Steuerzeichenvergehen gem. §§ 148, 149 StGB schreibt § 150 StGB – unabhängig von § 375 Abs. 2 AO – zwingend die Einziehung falscher oder entwerteter Steuerzeichen und Fälschungsmittel vor (s. § 369 Rz. 45).
Rz. 41
Grundsätzlich setzt die Anordnung der Einziehung die vorsätzliche, rechtswidrige und schuldhafte Begehung einer der vorgenannten Straftaten voraus. Soweit eine Bestrafung aber z.B. mangels Schuldfähigkeit nicht erfolgt, kann die Einziehung dennoch nach § 74b Abs. 1 Nr. 1 StGB (s. Rz. 67) oder im Wege des sog. objektiven Verfahrens selbständig nach § 76a StGB verhängt werden (s. Rz. 108 ff.).