Rz. 19

[Autor/Stand] Mit der Verhängung der Nebenstrafe verliert der Verurteilte für die in § 45 Abs. 2 StGB bestimmte Dauer die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden bzw. Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen. Ferner verliert er nach § 45 Abs. 3 und 4 StGB mit Verlust der Fähigkeiten auch die entsprechenden Rechtsstellungen und Rechte.

 

Rz. 20

[Autor/Stand] Öffentliche Ämter sind Einrichtungen, die öffentliche, d.h. aus der Staatsgewalt abgeleitete, Aufgaben wahrnehmen.[3] Hierzu zählen nicht nur die staatlichen oder kommunalen Einrichtungen, wie z.B. die Justiz oder die Verwaltung, sondern auch Körperschaften des öffentlichen Rechts und öffentlich-rechtliche Anstalten, soweit sie staatlichen Zwecken dienen.[4] Öffentliche Ämter bekleiden z.B. auch die mit hoheitlichen Aufgaben betrauten Notare (§§ 1, 49 BNotO), nicht dagegen Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.[5] Öffentliche Ämter bekleiden ferner alle ehrenamtlichen Richter, insbesondere die Schöffen.[6]

 

Rz. 21

[Autor/Stand] Hingegen fallen kirchliche Ämter, obwohl sie Teil öffentlich-rechtlicher Körperschaften sind, nicht unter § 375 Abs. 1 AO, da sie nicht staatlichen Zwecken dienen.[8] Ebenso wenig fallen mangels deutscher Strafgewalt ausländische Ämter in den Anwendungsbereich der Norm.

 

Rz. 22

[Autor/Stand] Öffentliche Wahlen sind Wahlen in Angelegenheiten, die nicht Privatinteressen von natürlichen oder juristischen Personen, sondern die Allgemeinheit und das öffentliche Wohl betreffen.[10] Dies ist z.B. der Fall bei Wahlen zu staatlichen und kommunalen Gesetzgebungsorganen, zu den Organen der Sozialversicherung, der berufsständischen Organisationen, soweit sie einen öffentlich-rechtlichen Status besitzen, wie z.B. Industrie- und Handelskammern, Ärzte-, Rechtsanwalts- oder Steuerberaterkammern. Keine öffentlichen Wahlen i.S.d. § 375 Abs. 1 AO sind Wahlen zu kirchlichen Organen, Wahlen innerhalb von Vereinen oder Gesellschaften des bürgerlichen Rechts, zu denen auch politische Parteien und Gewerkschaften gehören,[11] sowie Betriebsratswahlen (vgl. aber § 8 Abs. 1 Satz 3 BetrVG), die dem zivilen Arbeitsrecht zuzuordnen sind.[12]

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2024
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2024
[3] Fischer71, § 45 StGB Rz. 3; Kinzig in Schönke/Schröder30, § 45 StGB Rz. 7; Heine in Graf/Jäger/Wittig3, § 375 AO Rz. 13.
[4] OVG NW v. 13.1.1954 – III A 476/51, DÖV 1954, 439; Kinzig in Schönke/Schröder30, § 45 StGB Rz. 7.
[5] Schneider in LK13, § 45 StGB Rz. 6; Tormöhlen in HHSp., § 375 Rz. 19.
[6] Vgl. die Aufzählung der Vorschriften betr. das Schöffenamt bzw. das Amt des ehrenamtlichen Richters bei Schneider in LK13, § 45 StGB Rz. 5.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2024
[8] RG v. 20.2.1913 – III 1113/12, RGSt 47, 49 (51); RG v. 2.3.1928 – III 607/27, RGSt 62, 24 (26); jew. noch zu § 164 StGB a.F.; Tormöhlen in HHSp., § 375 AO Rz. 21, der darin einen Eingriff in die Religionsfreiheit sieht.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2024
[10] Fischer71, § 45 StGB Rz. 4; Kinzig in Schönke/Schröder30, § 45 StGB Rz. 7.
[11] Bülte in JJR9, § 375 AO Rz. 13.
[12] Tormöhlen in HHSp., § 375 AO Rz. 23; Ebner in Flore/Tsambikakis2, § 375 AO Rz. 19; Krumm in Tipke/Kruse, § 375 AO Rz. 9; Bülte in JJR9, § 375 AO Rz. 13; a.A. Nikolaus in Schwarz/Pahlke/Keß, § 375 AO Rz. 6.

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