Rz. 145
Vgl. zunächst zu den Konkurrenzen bei der Steuerhinterziehung § 370 Rz. 860 ff. Die Rechtsfolgen beim Zusammentreffen mehrerer Verletzungen ergeben sich für das Ordnungswidrigkeitenrecht aus den §§ 19–21 OWiG. Gesetzlich geregelt sind die Fälle des tateinheitlichen (§ 19 OWiG) und tatmehrheitlichen (§ 20 OWiG) Zusammentreffens von Ordnungswidrigkeiten sowie das Zusammentreffen von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten (§ 21 OWiG). Davon zu unterscheiden sind die Begriffe der Handlungseinheit und Handlungsmehrheit sowie die verschiedenen Fallgestaltungen der Gesetzeskonkurrenz.
Rz. 146
Für die Abgrenzung der Konkurrenzformen ist zunächst die Feststellung erforderlich, wann eine Handlung (Handlungseinheit) vorliegt. Handlungseinheit ist nicht identisch mit Tateinheit i.S.d. § 19 OWiG, sondern vielmehr nur deren Voraussetzung. Die Einordnung in die Kategorien der Handlungseinheit und der Handlungsmehrheit entscheidet darüber, ob eine oder mehrere Geldbußen festzusetzen sind. Die Abgrenzung von Handlungseinheit und Handlungsmehrheit erfolgt nach denselben Grundsätzen wie im Strafrecht.
Rz. 147
Verletzt dieselbe Handlung mehrere Gesetze, nach denen sie als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann (sog. ungleichartige Tateinheit), oder ein solches Gesetz mehrmals (sog. gleichartige Tateinheit), so wird nur eine einzige Geldbuße festgesetzt (§ 19 Abs. 1 Alt. 1 OWiG). Dies gilt auch wenn ein Gesetz mehrfach verletzt wird (§ 19 Abs. 1 Alt. 2 OWiG).
Beispiel
Werden z.B. mehrere Zuwiderhandlungen während der Verletzung einer Aufsichtspflicht begangen, so wird nur eine einzige Geldbuße festgesetzt.
Bei den steuerlichen Bußgeldtatbeständen der leichtfertigen Verkürzung bzw. Gefährdung verschiedener Steuerarten liegt regelmäßig Tatmehrheit nach § 20 OWiG vor. Bei mehreren Verletzungen von Bußgeldvorschriften bestimmt sich die Geldbuße nach dem Gesetz mit der höchsten Bußgeldandrohung (§ 19 Abs. 2 OWiG). Unbeschadet davon können die in dem milderen Gesetz angedrohten Nebenfolgen angeordnet werden (§ 19 Abs. 2 Satz 2 OWiG).
Rz. 148
Bei tateinheitlichem Zusammentreffen von Straftat und Ordnungswidrigkeit ergibt sich aus der allgemeinen Subsidiaritätsanordnung des § 21 Abs. 1 OWiG, dass nur das Strafgesetz anzuwenden ist. Die Vorschrift beruht auf der Erwägung, dass der stärkere Straftatbestand die gleichzeitig mitverwirklichten Bußgeldtatbestände mit geringerer Bedeutung verdrängt. Der Straftatbestand des § 370 AO geht selbst dann vor, wenn lediglich eine versuchte Steuerhinterziehung oder Beihilfe zur Steuerhinterziehung vorliegt. Dies gilt ebenso, wenn mehrere Steuergefährdungen mit einer Steuerhinterziehung zusammentreffen.
Rz. 149
Verletzt der Täter hingegen durch mehrere selbständige, nicht in Tateinheit stehende Handlungen Bußgeldvorschriften (Tatmehrheit), werden die Geldbußen nach dem Kumulationsprinzip gesondert festgesetzt, d.h. die Geldbußen werden nicht zusammengezogen (§ 20 OWiG). Diese Regelung unterscheidet sich wesentlich von § 53 StGB, der für das Strafrecht bei Tatmehrheit die Bildung einer Gesamtstrafe vorsieht. Wiederholte Verkürzungs- oder Gefährdungshandlungen, die gegen denselben Tatbestand verstoßen und dieselbe Steuerart betreffen, stehen grundsätzlich im Verhältnis der Tatmehrheit.
Beispiel
Wenn sich z.B. unterschiedliche, voneinander unabhängige Pflichtverstöße betreffend die Aufsichtspflicht feststellen lassen, liegen mehrere Verstöße gegen § 130 OWiG vor, wobei es darauf ankommt, wie oft der Verpflichtete hätte handeln müssen.
Bei Tatmehrheit zwischen Bußgeld- und Straftatbestand wird auf Strafe und Geldbuße gesondert erkannt.
Rz. 150
Auch im Bereich der Steuerordnungswidrigkeiten treten die unterschiedlichen Erscheinungsformen der Gesetzeskonkurrenz auf. Zu unterscheiden sind Spezialität, Subsidiarität, Konsumtion und die mitbestrafte Vor- oder Nachtat. Hinsichtlich des Konkurrenzverhältnisses der einzelnen Steuerordnungswidrigkeiten wird auf die Kommentierung der Konkurrenzen bei der jeweiligen Norm verwiesen.