Rz. 11.1
§ 33 AO bestimmt den Begriff des Stpfl. auch für den Bereich der Steuerzuwiderhandlungen (anders vor Geltung der AO 1977). Danach ist "Stpfl."nicht nur der Steuerschuldner oder der für eine Steuer Haftende, sondern generell jeder, der ihm durch die Steuergesetze auferlegten Verpflichtungen zu erfüllen hat. Die in § 33 Abs. 1 AO erwähnten Stpfl. sind daher nur als Beispielsfälle im Rahmen der Generalklausel des letzten Satzteils zu verstehen.
Zu den Stpfl. gehören neben dem Steuerschuldner selbst insb. die Personen, denen die AO persönlich Steuerpflichten auferlegt, die an sich dem Steuerschuldner obliegen, nämlich:
- gesetzliche Vertreter juristischer und natürlicher Personen (§ 34 Abs. 1 AO);
- die Mitglieder oder Gesellschafter nicht rechtsfähiger Personenvereinigungen ohne Geschäftsführer (§ 34 Abs. 2 AO);
- Vermögensverwalter (§ 34 Abs. 3 AO).
Den gesetzlichen Vertretern i.S.d. § 34 AO gleichgestellt ist der im eigenen oder fremden Namen auftretende Verfügungsberechtigte (§ 35 AO). Hierzu zählen z.B. Prokuristen, aber auch der faktische Geschäftsführer einer juristischen Person/Personenvereinigung.
Rz. 12
Die vorbezeichneten Vertreter fallen auch in ihrer Eigenschaft als potentielle Haftungsschuldner nach § 69 AO unter den Begriff "Stpfl." Die leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO begründet hingegen nicht die Haftung nach § 71 AO.
Rz. 13
Neben den in § 33 Abs. 1 AO aufgeführten steuergesetzlichen Pflichten zur Zahlung, ggf. Einbehaltung und Abführung der Steuer (s. Rz. 14), zur Sicherheitsleistung sowie zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sind darüber hinaus die Anzeigepflichten in §§ 137–139 AO und die Duldungspflicht i.S.d. § 77 AO zu nennen. Verpflichtete sind im Übrigen die Personen, die von einer Maßnahme der Steueraufsicht betroffen werden (§§ 209 ff. AO).
Rz. 14
Steuerpflichten finden sich außer in der AO auch in zahlreichen Einzelsteuergesetzen und -verordnungen (vgl. die Verweisung in § 43 AO). Sie betreffen nicht nur potentielle Steuerschuldner, sondern auch andere Personen, die neben dem Steuerschuldner am Besteuerungsverfahren beteiligt und denen eigene Pflichten auferlegt sind, wie z.B. den Entrichtungspflichtigen i.S.d. § 43 Satz 2 AO. Hierzu zählt z.B. der Arbeitgeber bei der Lohnsteuer (§ 38 Abs. 3 Satz 1, § 41a Abs. 1 EStG).
Beispiel 6
Rechtsanwalt A beschäftigt acht Angestellte. Er ist verpflichtet, bei jedem Angestellten jeweils bei Lohnzahlung die Lohnsteuer einzubehalten und spätestens am 10. Tag nach Ablauf jeden Kalendermonats beim Betriebsstätten-FA anzumelden und abzuführen (§ 38 Abs. 3, § 41a EStG).
Steuerschuldner sind nur die Angestellten (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG). Der Arbeitgeber haftet aber gem. § 38 Abs. 3 Satz 1, § 42d EStG gegenüber dem Staat für die abzuführende Lohnsteuer. Der BGH stellte ausdrücklich fest, dass Stpfl. jeder ist, dem durch ein Steuergesetz irgendwelche Pflichten auferlegt sind:
"Steuerpflichtiger [...] ist [...] jeder, dem durch ein Steuergesetz (§ 2 RAO) irgendwelche Pflichten auferlegt sind. Danach ist der Arbeitgeber für die Erfüllung der ihm zwecks Durchführung des Lohnsteuerabzugs in seinem Betrieb oder Büro auferlegten Pflichten ganz allgemein Steuerpflichtiger. Diese Eigenschaft ist nicht beschränkt auf die in § 38 EStG festgesetzte Haftung des Arbeitgebers gegenüber dem Staat für die abzuführende Lohnsteuer seiner Beschäftigten. Sie gilt auch für die übrigen gesetzlichen Bestimmungen, die die Durchführung des Lohnsteuerabzugs im Einzelnen regeln und sichern sollen."
Die Steuererhebung durch den sog. Quellenabzug (s. im Einzelnen § 380 Rz. 3 ff., 23) führt demnach zur Existenz mehrerer Stpfl. (Steuerschuldner und Entrichtungsschuldner).
Weitere steuerliche Pflichten enthalten die Zoll- und Verbrauchsteuergesetze, z.B. das unionsweite und nationale Zollrecht für den Gestellungspflichtigen und Zollanmelder (s. näher § 382 Rz. 18 ff.) oder die verbrauchsteuerlichen Duldungs- und Mitwirkungspflichten im Rahmen der besonderen Steueraufsicht (z.B. § 15 EnergieStV, § 33 TabStG).
Stpfl. im Sinne der dritten Tatalternative (§ 378 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO) ist, wer nach den Steuergesetzen verpflichtet ist, die geschuldete Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu entrichten (§ 17 TabStG).
Rz. 15
Der Begriff "Steuerpflichtiger" i.S.d. § 33 Abs. 1 AO ist dadurch sehr weit gefasst. Einschränkungen finden sich in § 33 Abs. 2 AO: Nicht Stpfl. ist, wer in einer fremden Steuersache Auskunft zu geben (§ 93 AO), Urkunden vorzulegen (§ 97 AO), ein Sachverständigengutachten zu erstatten (§ 96 AO) oder das Betreten von Grundstücken und Räumen zu dulden hat (§ 99 AO). Ebenso wenig sind Amtsträger der Finanzverwaltung (§ 7 AO) Stpfl. Sie sind zwar zur Festsetzung der Steuer verpflichtet, diese Pflicht ergibt sich aber nicht aus Steuergesetzen. Die bezeichneten Personen kommen deshalb als Täter einer leichtfertigen Steuerverkü...