Rz. 106

[Autor/Stand] Der Maßstab für die anzuwendende Sorgfalt bei steuerlichen Beratern richtet sich – wie generell bei Fahrlässigkeitstaten – zuvorderst nach objektiven Kriterien. Nach st. Rspr. ist auf die Durchschnittsanforderungen des jeweiligen Verkehrs- oder Berufskreises abzustellen, dem der Handelnde angehört[2]. Es stellt sich damit die Frage, welche Sorgfalt bzw. Kenntnisse von einem gewissenhaften und besonnenen Steuerberater zu verlangen sind.

 

Rz. 107

[Autor/Stand] Was ein besonnener und umsichtiger Steuerberater beachten muss, lässt sich u.a. aus den Berufspflichten ableiten, wie sie in § 57 Abs. 1 StBerG umschrieben sind. Danach haben Steuerberater und Steuerbevollmächtigte ihren Beruf u.a. unabhängig, eigenverantwortlich und gewissenhaft auszuüben[4]. Entsprechendes gilt für Rechtsanwälte (§ 43 BRAO), Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer (§ 43 WpO). Weitere Konkretisierungen der Berufspflichten enthalten die Standesrichtlinien. Die Nichtbeachtung der Berufspflichten hat jedoch nur berufsrechtliche Maßnahmen zur Folge (§§ 89, 90 StBerG); daraus allein kann jedoch keine straf- bzw. bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit hergeleitet werden[5]. Die Verletzung der Berufspflichten kann allenfalls als Indiz eines sorgfaltswidrigen Verhaltens gewertet werden.

 

Rz. 108

[Autor/Stand] Ebenso wenig kann der zivilrechtliche Haftungsmaßstab, den die Zivilgerichte zur Vermeidung von Schadensersatzansprüchen aus dem Beratungsvertrag verlangen[7], mit dem straf-/bußgeldrechtlichen Verschuldensmaßstab gleichgesetzt werden (s. Rz. 59).

Zutreffend hat Danzer[8] darauf hingewiesen, dass sich die straf- und bußgeldrelevanten Sorgfaltspflichten des steuerlichen Beraters am Schutzzweck der §§ 370, 378 AO zu orientieren haben. Ausschlaggebend ist daher, ob der Berater bei seinem pflichtwidrigen Tun oder Unterlassen erkannt (direkter Vorsatz) bzw. für möglich gehalten hat (bedingter Vorsatz) oder hätte erkennen können (Leichtfertigkeit), dass hierdurch das rechtzeitige und vollständige Aufkommen der einzelnen Steuer bzw. des konkreten Steueranspruchs berührt wird (grundlegend zum geschützten Rechtsgut s. § 370 Rz. 53 ff.).

 

Rz. 109

[Autor/Stand] Grundsätzlich treffen daher den Steuerberater gegenüber dem Stpfl. keine Sonderpflichten, sieht man einmal davon ab, dass aufgrund seiner berufsspezifischen Sachkunde weitergehende Anforderungen an den steuerrechtlichen Kenntnisstand zu stellen sind (s. Rz. 111). Eine besondere Pflichtenstellung ergibt sich auch nicht gegenüber dem FA. Die Auffassung, der steuerliche Berater sei Mittler zwischen Stpfl. und FA[10] bzw. der verlängerte Arm des FA und "Wahrer des Rechts"[11], ist angesichts des im Steuerberatungsgesetz gesetzlich verankerten Berufsbildes überholt[12]. Darüber hinaus ist der Inhalt des jeweiligen Beratungsauftrags für den Umfang der Sorgfaltspflichten maßgeblich, wobei an Buchhaltungsaufgaben oder die Erstellung von Steuererklärung anhand von nicht überprüfbaren Angaben des Stpfl. geringere Anforderungen zu stellen sind[13]. Ein Berater muss seinem Mandanten nicht von vornherein mit Misstrauen begegnen, sondern darf den Angaben grds. vertrauen[14]. Dies muss er auch, weil er im Rahmen seines Dienstleistungsvertrags nicht einfach von den Angaben seines Mandanten abweichen darf. Ein Berater darf hingegen nicht unbesehen auf Auskünfte seines Mandanten vertrauen, wenn Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit bestehen[15]. Dann stellt sich im Einzelfall die Frage, welches Verhalten des Beraters erforderlich ist (z.B. Nachfragen beim Mandanten, Anforderung von Unterlagen), um Zweifel zu beseitigen und den Vorwurf der Leichtfertigkeit zu vermeiden. Jedenfalls ist Evidenz der Unrichtigkeit eine notwendige Voraussetzung für die Leichtfertigkeit (vgl. Rz. 110).

Der Steuerberater ist ein Helfer des Stpfl. und nicht Sachwalter der FinB[16]. Pflichten gegenüber dem FA können sich daher, ebenso wie für den Stpfl., nur aus der AO bzw. aus den blankettausfüllenden Einzelsteuergesetzen ergeben.

Allerdings hat der Steuerberater nicht dieselbe Pflichtenstellung wie der Stpfl., sieht man einmal von dem Sonderfall ab, dass der Steuerberater die Funktion eines gesetzlichen Vertreters i.S.d. §§ 34, 35 AO innehat und er damit selbst "Steuerpflichtiger" i.S.d. § 378 Abs. 1 AO ist. – Vgl. hierzu bereits das RG[17]:

"Einen allgemeinen Rechtssatz des Inhaltes, daß dem Steuerberater [...] an sich dieselbe Pflicht obliege, wie dem Steuerpflichtigen selbst, kennt das Gesetz nicht. Ob der Angeklagte fahrlässig gehandelt hat, dafür ist vielmehr [...] vor allem die Frage von Bedeutung, wieweit seine Verpflichtung gegenüber dem Zeugen B nach der mit diesem getroffenen Abrede und nach der Lage der Sache ging, und welche Leistung hiernach von ihm übernommen und zu bewirken war, insbesondere ob er es etwa übernommen hatte, die von ihm anzufertigende Bilanz derartig fertig und vollständig zu liefern, daß es ihrer Nachprüfung durch den Steuerpflichtigen B selbst kaum noch bedurfte, sondern nur noch ihre Unte...

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