Rz. 81
Auch wenn der Stpfl. mit der Erledigung seiner Steuerangelegenheiten selbständige Steuerfachleute, z.B. Steuerberater oder -bevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, u.a., vgl. § 3 StBerG (im Folgenden steuerliche Berater), beauftragt, ist er der eigenen Verantwortlichkeit nicht ohne weiteres enthoben. Ein leichtfertiges Handeln des Steuerberaters bei der Vorbereitung der Steuererklärung kann dem Steuerpflichtigen steuerrechtlich jedoch nicht zugerechnet werden.
Der Stpfl. hat zunächst einmal den steuerlichen Berater rechtzeitig und laufend mit allen für die Steueraufstellung erforderlichen Unterlagen und Belegen zu versorgen.
Rz. 82
Grundsätzlich kann der Stpfl. den Vorwurf der leichtfertigen Steuerverkürzung dadurch entkräften, dass er sich darauf beruft, einen steuerlichen Berater zugezogen zu haben, den er für zuverlässig halten durfte und dessen Rat er befolgte (s. Rz. 82).
Beispiel 115
A ist Handelsvertreter und betreibt daneben einen Großhandel. Die FinB setzte für das Kalenderjahr 1959 die Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer dem im Vorjahr erzielten Einkommen entsprechend fest. A rechnete jedoch damit, dass wegen der Kündigung des Interzonenhandels sein Einkommen rückläufig sein würde. Er setzte sich mit seinem Steuerberater in Verbindung, der ihm erklärte, man könne einen Anpassungsantrag stellen, und der ein entsprechendes Schreiben am 2.12.1960 an die FinB absandte. Am 3.12. erhielt A die Nachricht, dass auf seinem Konto ca. 8.000 DM Vertreterprovision eingegangen sei. Er teilte dies der FinB nicht mit, weil er nicht wusste, dass insoweit eine Meldepflicht bestand.
Aus den Gründen: „Auf Grund der Kompliziertheit der Steuergesetze dürfen die Anforderungen an einen Steuerpflichtigen nicht zu weit gezogen werden. Der Angeklagte hatte zur Erledigung seiner steuerlichen Belange seinen seit Jahren für ihn tätigen Steuerbevollmächtigten herangezogen, der den Anpassungsantrag ausgearbeitet und beim Finanzamt angebracht hat. Es ist nichts darüber bekannt, dass dieser Steuerbevollmächtigte unzuverlässig gewesen ist. Der Angeklagte konnte daher davon ausgehen, dass der Antrag vom 2.12.1960 seine Berechtigung hatte. Er war auch nicht darauf hingewiesen worden, dass er dem Finanzamt weitere Zahlungseingänge mitzuteilen hatte.
Bei dieser Sachlage hat der Angeklagte zwar fahrlässig gehandelt, indem er die Ertragslage seines Unternehmens nicht erforscht hat. Ein leichtfertiges Verhalten konnte ihm jedoch mit Rücksicht auf die Hinzuziehung einer Fachkraft, nämlich seines Steuerbevollmächtigten, nicht nachgewiesen werden.”
So auch das AG Berlin-Tiergarten:
"Der Angeklagte war aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. Den insoweit rechtsunkundigen Angeklagten traf hier keine dahingehende besondere Nachprüfungspflicht, den von seinem damaligen Steuerbevollmächtigten vorbereiteten und ausgefüllten Investitionszulageantrag bei der Unterzeichnung dahingehend zu überprüfen, ob tatsächlich für die darin aufgeführten Wirtschaftsgüter jeweils die rechtlichen Voraussetzungen nach dem Investitionszulagegesetz 1982 für die Gewährung einer Investitionszulage vorlagen. Der Angeklagte durfte vielmehr auf eine zuverlässige Erledigung der Sache durch seinen damaligen Steuerbevollmächtigten, der diese Antragstellung von sich aus initiiert hatte, vertrauen."
Im Sinne einer Begrenzung der Nachprüfungspflicht des Stpfl. führte der BFH in seinem Urteil vom 29.10.2013 aus:
"Der Kläger hätte auch bei gewissenhafter und ihm zumutbarer Prüfung nicht erkennen müssen, dass die Einkommensteuererklärung unrichtig war. Denn hierzu hätte er die Erfassung der Einnahmen und Ausgaben im Einzelnen nachprüfen müssen. Dies konnte jedoch vom Kläger, der als selbständiger Arzt eine Praxis betreibt, nicht erwartet werden."
Der BFH tritt somit überspannten Überprüfungs- und Kontrollanforderungen entgegen, welche in der Praxis leider öfter aber unzutreffend aufgestellt werden. Wenn der BFH somit selbst bei gut ausgebildeten Stpfl., die als Unternehmer tätig sind, Grenzen der Nachprüfungspflicht aufzeigt, so muss dies zutreffend erst recht z.B. bei Nichtakademikern oder ggf. auch sehr alten Stpfl. der Fall sein.
Rz. 83
Der Stpfl. kann sich aber nicht unter allen Umständen durch Inanspruchnahme eines steuerlichen Beraters von der eigenen Verantwortung befreien. Er hat sich vielmehr generell über seine Einkommensverhältnisse auf dem Laufenden zu halten, sich um die Buchführung und wirtschaftlichen Vorgänge im Betrieb zu kümmern, so dass er zumindest in groben Zügen die Richtigkeit der steuerlichen Berechnungen des steuerlichen Beraters überprüfen kann. Regelmäßig wird aber ein einfacher Stpfl. mit der rechtlichen Würdigung der vom Steuerberater ausgefüllten Steuererklärung überfordert sein. Eine Pflicht zur Überprüfung der vom Berater vorbereiteten Steuererklärung ist deshalb nur bei auffälligen Unstimmigkeiten der vom Berater gefertigten Steuererklärung anzunehmen.
Dazu der BGH