Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
a) Begriff
Rz. 81
Ermittlungsbehörde im Steuerstrafverfahren ist die FinB. Unter diesen Begriff fallen in Abweichung von der Umschreibung des § 6 Abs. 2 AO gem. der Legaldefinition des § 386 Abs. 1 Satz 2 AO
- das HZA,
- das FA,
- das Bundeszentralamt für Steuern (vormals Bundesamt für Finanzen), aber nur insoweit, als ihm durch § 5 FVG Aufgaben der Verwaltung einer Steuer übertragen sind (zu dem strafrechtlichen Behördenbegriff und den einzelnen Ermittlungsorganen s. § 386 Rz. 31 ff.),
- die Familienkasse (s. § 386 Rz. 34).
§ 386 Abs. 1 Satz 2 AO enthält einen numerus clausus der FinB. Keine FinB i.S.d. §§ 385 ff. AO sind daher die Oberfinanzdirektionen oder Finanzministerien (zu deren beschränkten Weisungsbefugnissen (s. § 386 Rz. 36), ebenso wenig die Zollfahndungsämter und die Steufa-Stellen, selbst wenn diese als eigenständige FÄ für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung eingerichtet worden sind (im Einzelnen s. Rz. 90).
Rz. 82
Die sachliche Zuständigkeit richtet sich danach, wer die durch die Straftat betroffene Steuer verwaltet (s. § 387 Rz. 7, Nr. 23 AStBV (St) 2020, s. AStBV Rz. 23; zur örtlichen Zuständigkeit s. die Erl. zu § 388 sowie Nr. 24 AStBV (St) 2020, s. AStBV Rz. 24).
Rz. 83
Die Ermittlungen werden aufgrund innerbehördlicher Organisation von den sog. BuStra der FinB durchgeführt. In der Verfahrenswirklichkeit führt hingegen die Steufa den Großteil der Ermittlungen durch (s. Rz. 89 ff.). Im Bereich mehrerer FÄ sind durch Rechtsverordnung bei bestimmten FÄ sog. "Gemeinsame Straf- und Bußgeldsachenstellen" eingerichtet worden (§ 17 Abs. 2 Satz 3 Buchst. f FVG; § 387 Abs. 2 AO; im Einzelnen s. § 387 Rz. 36 ff., 53 f.). Diese organisatorische Zusammenfassung der Straf- (und Bußgeld-)sachenbearbeitung dient vor allem der Gleichmäßigkeit der Rechtsanwendung. Sie entspricht zudem der gerichtlichen Konzentrationsregelung des § 391 Abs. 1 AO. Entgegen der allgemeinen Zuständigkeitsregelung des § 387 Abs. 1 AO ist damit nicht mehr der Vorsteher der einzelnen angeschlossenen FÄ Herr des Ermittlungsverfahrens, sondern der Vorsteher des zentralen FA. Die angeschlossenen FÄ bleiben jedoch gem. § 399 Abs. 2 AO weiterhin berechtigt und verpflichtet, beim Verdacht einer Steuerstraftat den Sachverhalt zu erforschen und alle unaufschiebbaren Maßnahmen anzuordnen.
Rz. 84
Zur Durchführung des Ermittlungsverfahrens sind in ihrem Tätigkeitsbereich auch die Außenprüfer befugt (s. § 386 Rz. 39).
b) Selbständige Befugnisse
Ergänzender Hinweis: Nr. 17–19, 79 ff. AStBV (St) 2020 (s. AStBV Rz. 17 ff, 79 ff.).
Rz. 85
Im Steuerstrafverfahren tritt die FinB grds. als Ermittlungsbehörde an die Stelle der StA (§ 386 Abs. 2, § 399 Abs. 1 AO). Sie nimmt dabei die Rechte und Pflichten wahr, die der StA im Rahmen des allgemeinen Ermittlungsverfahrens zustehen. Man kann sie daher zu Recht als "Staatsanwaltschaft der Finanzverwaltung" bzw. als "Steuerstaatsanwaltschaft" bezeichnen.
Rz. 86
Das Ermittlungsverfahren wird von der FinB vollkommen eigenständig und ohne Weisungsgebundenheit gegenüber der StA allerdings nur dann durchgeführt, wenn die Tat
Rz. 87
Soweit die FinB das Ermittlungsverfahren selbständig führt, stehen ihr insb. folgende Rechte zu:
- Beantragung von richterlichen Untersuchungshandlungen (§ 162 StPO);
- Anordnung von Zwangsmaßnahmen der StPO gegen den Beschuldigten bei Gefahr in Verzug (s. Rz. 76);
- Vernehmung des Beschuldigten und von Zeugen/Sachverständigen; diese sind verpflichtet, auf Ladung bei der FinB zu erscheinen; Zeugen und Sachverständige sind zudem zur Aussage verpflichtet (vgl. § 161a Abs. 1, § 163 Abs. 3 Satz 2 StPO);
- Leitung der Ermittlungen und Beauftragung ihrer Ermittlungspersonen – Polizei, Steufa – (§ 161 StPO);
- Einstellung des Verfahrens gegen den Beschuldigten oder Beantragung eines Strafbefehls.
c) Polizeiliche Befugnisse
Ergänzender Hinweis: Nr. 91–93 AStBV (St) 2020 (s. AStBV Rz. 91 ff.).
Rz. 88
Führt dagegen die StA das Ermittlungsverfahren durch (§ 386 Abs. 3, Abs. 4; § 385 Abs. 2 AO; s. Rz. 66 Tabelle 2 Ziff. 2), so hat die FinB dieselben Rechte und Pflichten, wie sie den Polizeibediensteten als Ermittlungspersonen der StA oder als Polizeibeamten im allgemeinen Strafverfahren zustehen (§§ 402, 399 Abs. 2 AO; s. Rz. 75). Sie wird bei dieser Sachlage lediglich als Hilfsorgan der StA tätig.
Abgesehen davon hat sie die in § 403 AO genannten Mitwirkungs- und Informationsrechte sowie ein eigenes Recht zur Akteneinsicht (§ 395 AO).