Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 9
Seinem Wortlaut nach scheint § 394 AO auf die Situation abzustellen, in der ein subjektives Verfahren ausscheidet, weil der Täter nicht zu ermitteln ist, und daher eine Einziehung nur im objektiven Verfahren erfolgen könnte. Indes findet die Vorschrift über diese Konstellation hinaus auch in den Fällen keine Anwendung, in denen gegen andere Beteiligte der Tat des unbekannt Entkommenen ermittelt wird und gegen diese ein subjektives Verfahren stattfinden kann. In diesen Konstellationen können die – auch die von dem Unbekannten zurückgelassenen – sichergestellten Sachen in den gegen die Beteiligten geführten Strafverfahren eingezogen werden. Die nachträgliche Durchführung des objektiven Verfahrens wäre in diesen Fällen im Übrigen unzulässig, da nach § 76a StGB erforderlich ist, dass wegen der Tat gerade keine bestimmte Person verfolgt bzw. verurteilt werden kann. Da die Verfolgbarkeit einer bestimmten Person aber Verfahrensvoraussetzung ist, welche das Gericht in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen hat, kann deren Nichtvorliegen nur zur Einstellung des Verfahrens führen. Ebenso kann dann aber das objektive Verfahren nicht dazu benutzt werden, eine in einem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren gegen einen Tatbeteiligten versehentlich unterbliebene Einziehungsanordnung nachzuholen.
Rz. 10
Wenn indes nach einem rechtskräftig abgeschlossenen subjektiven Verfahren die Voraussetzungen der selbständigen Einziehung noch in der Person eines anderen Tatbeteiligten vorliegen, kann die Einziehung noch in einem objektiven Verfahren nachgeholt werden. Gleiches gilt, wenn die Einziehung nur Sicherungsmaßnahme ist, d.h. wenn die Gegenstände gem. § 74b Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB nach ihrer Art und den Umständen die Allgemeinheit gefährden bzw. die Gefahr besteht, dass sie der Begehung rechtswidriger Taten dienen werden, selbst wenn der Täter ohne Schuld gehandelt hat oder sie einem anderen als dem Täter oder Teilnehmer gehören (s. dazu § 375 Rz. 67).
Rz. 11
Der Vorrang des subjektiven Verfahrens gegenüber dem objektiven Verfahren gilt auch im Hinblick auf das Verfahren nach § 394 AO. Die Vorschrift ist nur anwendbar, wenn das objektive Verfahren durchgeführt werden müsste. Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 394 AO, der verlangt, dass die sichergestellten Sachen "eingezogen werden können". Damit verweist § 394 AO auf die allgemeinen Voraussetzungen der Einziehung und damit auch auf § 76a StGB. Insofern hat § 394 AO gegenüber dem objektiven Verfahren nur Ersatzfunktion, d.h., dass die Voraussetzungen des § 440 StPO erfüllt sein müssen, wenn die Vorschrift zur Anwendung kommen soll (s. näher Rz. 25 f., 28 und § 401 Rz. 25 ff.). Das bedeutet nach dem oben Gesagten, dass gegen keinen Tatbeteiligten ein (subjektives) Strafverfahren geführt werden darf.
Rz. 12
Umgekehrt findet § 394 AO keine Anwendung, wenn der Eigentümer der Sache bekannt ist. Daraus ergibt sich wiederum ein Vorrang des selbständigen Verfahrens nach § 401 AO i.V.m. § 435 StPO gegenüber dem vereinfachten Eigentumsübergang nach § 394 AO (s. näher Rz. 29).
Rz. 13
Zusammengefasst lässt sich damit festhalten, dass § 394 AO nur dann in Betracht kommt, wenn alle Tatbeteiligten nicht bekannt sind, ein subjektives Einziehungsverfahren also ausscheidet und ein eigentlich durchzuführendes objektives Einziehungsverfahren ebenfalls ausscheidet, da der Eigentümer unbekannt und damit ein Einziehungsbeteiligter, gegen den das Verfahren geführt werden könnte, nicht vorhanden ist.
Rz. 14
Schon deshalb hat die Vorschrift in der Praxis nur geringe Bedeutung. Dies liegt vor allem daran, dass in aller Regel die Einziehung im selbständigen Verfahren gem. § 435 AO angeordnet wird. Den Antrag hierfür kann die FinB (d.h. die BuStra) selbst bei Gericht stellen (§ 401 AO sowie die Erl. dazu). Der gesetzgeberische Zweck, die Vereinfachung des Einziehungsverfahrens, ist in der Praxis nicht eingetreten. Aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden ist die standardisierte Antragstellung im selbständigen Einziehungsverfahren zudem einfacher zu handhaben als die aufwendige öffentliche Bekanntmachung und die damit gesetzlich aufgebürdete Aufbewahrungspflicht der sichergestellten Gegenstände für mindestens ein Jahr nach § 394 AO.
Ein "formloses" Verfahren zur Einziehung, das in Nr. 180 Abs. 4 Satz 1 RiStBV erwähnt wird, und von einigen Hauptzollämtern bevorzugt wird, ist jedenfalls nach zutreffender Auffassung im Anwendungsbereich des § 394 AO grundsätzlich unzulässig.