a) Strafprozessuales Verwertungsverbot
Rz. 43
Bei einer versehentlich unterlassenen Belehrung des Stpfl. über sein Aussageverweigerungsrecht ergibt sich das Verwertungsverbot aus § 136 Abs. 1, § 163a StPO i.V.m. § 385 Abs. 1 AO (zu den Einzelheiten s. § 393 Rz. 155 ff.). Darauf kann sich der (anwaltlich vertretene) Beschuldigte aber nur berufen, wenn der Verwertung einer ohne Belehrung getätigten Aussage widersprochen wird (s. Rz. 41), andernfalls ist das Recht verwirkt. Eine Ausnahme gilt auch, wenn der Beschuldigte in Kenntnis des Schweigerechts gleichwohl freiwillig ausgesagt hat. Angaben, die der steuerliche Berater in Kenntnis des Aussageverweigerungsrechts seines Mandanten macht, können dagegen nicht verwertet werden, denn sie sind dem Mandanten nicht als eigene Erklärungen zurechenbar. Mitunter kommt es zu der Situation, dass der Steuerberater im Ermittlungsverfahren die Strafverfolgungsbehörden aktiv unterstützt, bspw. durch Aufarbeitung der Zahlen oder Fertigung der Steuererklärung. Besteht zu diesem Zeitpunkt bereits ein Anfangsverdacht wegen Beihilfe, handelt es sich um eine bewusste Täuschung, die ein absolutes Verwertungsverbot gem. § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO in Verbindung mit § 85 Abs. 1 AO nach sich zieht. Gesperrt werden "die unter Verletzung dieses Verbots zustande gekommenen Aussagen" bzw. von Beschuldigten hervorgebrachte oder von ihm ins Verfahren eingeführte Beweismittel. Es handelt sich um ein im Gesetz fälliger Weise gewonnenes Beweismittel, das auf legalem Wege im Zeitpunkt der Verwertung nicht mehr zu erlangen ist. Insbesondere Schätzungen und Steuererklärungen, welche maßgeblich der Schadensberechnung und ggf. einer Anklage und damit auch ggf. auch einem späterem Urteil zugrunde gelegt würden, stammen insofern von dem Steuerberater, der zum Zeitpunkt der Erstellung der Schätzung und zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärungen bereits als Beschuldigter hätte geführt werden müssen, verbunden mit dem ihm zustehenden Schweigerecht.
Rz. 44
Der Verstoß gegen die Belehrungspflicht über das Zwangsmittelverbot nach § 393 Abs. 1 Satz 2–4 AO führt unstrittig zu einem strafrechtlichen Verwertungsverbot, da die Vorschrift in gleicher Weise wie § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO eine Ausprägung des Prinzips der strafrechtlichen Selbstbelastungsfreiheit darstellt und der Stpfl. in vergleichbarer Verfahrenssituation nicht über die ihm zustehenden Rechte (keine Erzwingbarkeit der steuerlichen Mitwirkung) belehrt worden ist (s. Näheres § 393 Rz. 63 ff., vgl. auch BFH im Beispiel sogleich unter Rz. 46).
b) Steuerliches Verwertungsverbot
Rz. 45
Ein Verwertungsverbot im Strafverfahren bei Verletzung der steuerrechtlichen Verfahrensvorschriften bei der Informationsgewinnung wird gemeinhin abgelehnt. Die Frage nach einem Verwertungsverbot ist im Besteuerungsverfahren nach abgabenrechtlichen Vorschriften, ggf. unter Einbeziehung vorrangiger Verfassungsgrundsätze zu beantworten (§ 393 Abs. 1 Satz 1 AO). Ein allgemeines, gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt wurden, besteht nach allgemeiner Ansicht im Besteuerungsverfahren nicht. Ein Verstoß gegen die Belehrungspflichten soll nicht zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung führen. Auch eine Fernwirkung von Verfahrensverstößen ist weder im Gesetz vorgesehen noch verhältnismäßig. Es würde dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen, Feststellungen nur deswegen nicht der Besteuerung zugrunde zu legen, weil in früheren Stadien des Verfahrens Verfahrensfehler gemacht worden sind, während bei Steuerehrlichen alle Feststellungen uneingeschränkt der Besteuerung zugrunde gelegt werden und damit die unredlichen Stpfl. gegenüber den ehrlichen Stpfl. bessergestellt würden. Selbst in rechtswidriger Weise sichergestellte Beweismittel unterliegen dann keinem Verwertungsverbot, wenn sie ohne Rechtsverstoß hätten erlangt werden können.
Rz. 46
Die Frage, ob auch die unterlassene Belehrung i.S.d. § 393 Abs. 1 Satz 4 AO über das Zwangsmittelverbot ein steuerliches Verwertungsverbot nach sich zieht, wird verneint.