Rz. 366

[Autor/Stand] Mitunter kommt es vor, dass unversteuerte Tabakwaren etwa bei einem Aufgriff an der Grenze sichergestellt werden, dennoch gegen den Einführer und ggf. gegen die Hinterleute und/oder Hersteller (jeweils) in voller Höhe ein strafprozessualer Arrest beantragt und erlassen wird.

 

Rz. 367

[Autor/Stand] Die Einziehung von Wertersatz und dementsprechend ein strafprozessualer Arrest scheiden bei einer Beschlagnahme der Tabakwaren nach der gefestigten Rspr. des BGH aus.[3] Für die Hinterziehung von Tabaksteuer hat der BGH bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass ein unmittelbarer messbarer wirtschaftlicher Vorteil nur dann gegeben ist, soweit sich die Steuerersparnis im Vermögen des Täters dadurch niederschlägt, dass er aus den Tabakwaren einen tatsächlichen Vermögenszuwachs erzielt hat.[4] Hintergrund ist nach Ansicht des BGH bei Verbrauchsteuern die Korrelation zwischen dem Besitz und dem Inverkehrbringen der Ware sowie der Steuer. Verbrauchsteuern werden auf (verbrauchsteuerpflichtige) Waren nur dann erhoben, wenn sie im Steuergebiet in den Wirtschaftskreislauf treten und/oder ver- oder gebraucht werden. Die Annahme eines einziehungsfähigen Vermögenszuwachses und damit eines Arrests setzt voraus, dass der Täter eine wirtschaftliche Zugriffs- oder Verwertungsmöglichkeit hinsichtlich dieser Waren hat, über diese also wirtschaftlich (mit-)verfügen kann. Bei erfolgter Sicherstellung ist ein (weiteres) in Verkehr bringen und eine wirtschaftliche Verwertung der – der Steuer unterliegenden – Waren, auf das für die Verbrauchs- bzw. Warensteuern als Entstehungstatbestand allgemein abgestellt wird, ausgeschlossen.[5]

 

Rz. 368

[Autor/Stand] Bei dem Delikt der Steuerhinterziehung kann die verkürzte Steuer "etwas Erlangtes" i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB nur dann sein, wenn der Täter sich Aufwendungen für diese Steuern erspart.[7] Dies gilt nach Ansicht des BGH jedoch nicht schlechthin, weil die Einziehung – wie dargelegt – an einen durch die Tat tatsächlich beim Täter eingetretenen Vermögensvorteil anknüpft und damit mehr als die bloße Tatbestandserfüllung voraussetzt. Bei der Tabaksteuer als Verbrauchs- bzw. Warensteuer ergibt sich ein unmittelbarer wirtschaftlicher Vorteil nur, soweit sich die Steuerersparnis auch tatsächlich im Vermögen des Täters niederschlägt, dass er aus den Tabakwaren, auf die sich die Hinterziehung von Tabaksteuern bezieht, einen Vermögenszuwachs erzielt. Nach der st. Rspr. des BGH bilden offene Steuerschulden nicht stets über die Rechtsfigur der ersparten Aufwendungen einen Vorteil i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB. Ausweislich des Wortlauts bleibt stets maßgeblich, dass sich ein Vorteil im Vermögen des Täters auch tatsächlich widergespiegelt hat. Allein in diesen Fällen hat der Täter durch die ersparten Aufwendungen auch wirtschaftlich "etwas erlangt".[8]

Zur Begründung verweist der BGH auf die dem Gesetz zugrunde liegende Systematik:[9]

"‚Durch‘ die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB nF ist jeder Vermögenswert, der dem Tatbeteiligten durch die rechtswidrige Tat zugeflossen ist, also alles, was in irgendeiner Phase des Tatablaufs in seine tatsächliche Verfügungsgewalt übergegangen und ihm so aus der Tat unmittelbar messbar zugutegekommen ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 8.2.2018 – 3 StR 560/17 Rn. 10 [= wistra 2018, 347]; BGH, Urt. v. 24.5.2018 – 5 StR 623 und 624/17 Rn. 8 mwN; BGH, Beschl. v. 21.8.2018 – 2 StR 311/18 Rn. 8 mwN; BT-Drucks. 18/9525, S. 61 f.). Der Umfang des ‚erlangten Etwas‘ im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB nF ist nach dem "Bruttoprinzip" zu bemessen, d.h., dass grundsätzlich alles, was der Täter durch oder für die Tat erhalten oder was er durch diese erspart hat, ohne gewinnmindernde Abzüge einzuziehen ist (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 61; BGH, Urt. v. 18.12.2018 – 1 StR 36/17 Rn. 25 [= wistra 2019, 333]). Der Einziehung unterliegen damit nicht nur bestimmte Gegenstände wie bewegliche Sachen, Grundstücke oder dingliche und obligatorische Rechte, sondern auch geldwerte Vorteile, wie etwa Dienstleistungen oder ersparte Aufwendungen, sowie konkrete Chancen auf einen Vertragsabschluss bzw. die Verbesserung einer Marktposition (vgl. Fischer, StGB, 66. Aufl., § 73 Rn. 20 mwN; Schmidt, Vermögensabschöpfung, 2. Aufl. S. 24 f., Rn. 90–95 mit Verweis auf BT-Drucks. 18/9525, S. 61 f.). Beim "Erlangen" handelt es sich dabei um einen tatsächlichen Vorgang; auf die zivilrechtlichen Besitz- oder Eigentumsverhältnisse zwischen mehreren Tatbeteiligten kommt es nicht an (vgl. BGH, Urt. v. 24.5.2018 – 5 StR 623 und 624/17 Rn. 8 mwN; BGH, Beschl. v. 21.8.2018 – 2 StR 311/18 Rn. 8 mwN; BGH, Urt. v. 2.7.2015 – 3 StR 157/15 Rn. 13; BGH, Urt. v. 28.10.2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39 Rn. 19 [= wistra 2011, 101] und BGH, Urt. v. 4.2.2009 – 2 StR 504/08, BGHSt 53, 179 Rn. 3 [= wistra 2009, 272])."

 

Rz. 369

[Autor/Stand] Sodann wiederholt der Senat seine tragenden Erwägungen aus der Entscheidung vom 23.5.2019. Offene Steuerschulden seien – auch über die Rechtsfigur der ersparten Aufwendungen – nicht gener...

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