Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 151
Gemäß § 408 Abs. 3 Satz 2 StPO beraumt der Strafrichter die Hauptverhandlung an, wenn er Bedenken hat, ohne Hauptverhandlung zu entscheiden, oder wenn er von der rechtlichen Beurteilung im Strafbefehlsantrag abweichen oder eine andere als die beantragte Rechtsfolge festsetzen will und die StA bzw. die FinB auf ihrem Antrag beharrt.
Beispiel
Der Richter hat Bedenken, über den Antrag auf Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ohne persönlichen Eindruck von dem Angeschuldigten zu entscheiden.
Mit der Anberaumung der Hauptverhandlung anstelle des Erlasses eines Strafbefehls wird das Strafbefehlsverfahren in das "gewöhnliche" Strafverfahren überführt. Von diesem Zeitpunkt an gelten die allgemeinen Vorschriften der §§ 226 ff. StPO über die Durchführung der Hauptverhandlung in einem Strafverfahren. Zu den Einzelheiten vgl. näher die Erläuterungen zu § 385 Rz. 661 ff.
Rz. 152
Besonders hervorzuheben ist, dass damit die Sachbefugnis der FinB endet. Die Stellung der FinB im gerichtlichen Verfahren ergibt sich aus § 406 Abs. 1 AO. Die Anklage wird nunmehr von der StA vertreten, wobei dem Vertreter der FinB jetzt als weiterem Verfahrensbeteiligtem gem. § 407 Abs. 1 AO Gelegenheit zur Äußerung zu allen entscheidungserheblichen Gesichtspunkten zu geben ist. Soweit für den Angeklagten bisher ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer als Verteidiger tätig gewesen ist, kann dieser die Verteidigung gem. § 392 Abs. 1 Halbs. 2 AO nur noch in Gemeinschaft mit einem Rechtsanwalt oder einem Rechtslehrer an einer (Fach-)Hochschule führen (s. § 392 Rz. 91 ff.). Der Angeklagte muss zur Hauptverhandlung erscheinen und während ihres gesamten Ablaufs bis zur Urteilsverkündung anwesend sein (§§ 231 ff. StPO). § 411 Abs. 2 StPO gilt nicht, weil es sich nicht um eine Hauptverhandlung aufgrund eines Einspruchs handelt. Gegenstand der Urteilsfindung ist entsprechend § 267 StPO die im Strafbefehlsantrag bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt.
Rz. 153
Darüber hinaus ist Folgendes zu beachten:
Der Strafbefehlsantrag ist die öffentliche Anklage (§ 407 Abs. 3 Satz 4 StPO).
Die Hauptverhandlung wird durch richterliche Verfügung anberaumt, wobei kein förmlicher Eröffnungsbeschluss ergeht. Mit der Ladung ist dem Angeklagten gem. § 408 Abs. 3 Satz 3 StPO eine Abschrift des Strafbefehlsantrags ohne die beantragte Rechtsfolge mitzuteilen. Im Fall einer unterbliebenen Mitteilung des Strafbefehlsantrags kann dieser Mangel durch Bekanntgabe in der Hauptverhandlung geheilt werden, wobei die Hauptverhandlung dann aber ggf. auf Antrag des Angeklagten zur genügenden Vorbereitung seiner Verteidigung entsprechend dem Rechtsgedanken des § 265 Abs. 4 StPO auszusetzen ist.
Der Anberaumungsverfügung i.V.m. dem Strafbefehlsantrag kommt jedoch die verfahrensbegrenzende Wirkung eines Eröffnungsbeschlusses zu. Ist die im Strafbefehlsantrag bezeichnete Tat nicht mit der hierfür erforderlichen Genauigkeit konkretisiert (s. Rz. 101 ff.), muss das Verfahren mithin entweder bereits außerhalb der Hauptverhandlung gem. § 206a StPO durch Beschluss oder in der Hauptverhandlung gem. § 260 Abs. 3 StPO durch Urteil eingestellt werden.
Die StA kann den Strafbefehlsantrag analog § 156 StPO nicht mehr nach § 411 Abs. 3 StPO zurücknehmen (s. Rz. 124).
Rz. 154– 155
Einstweilen frei.