Grundsätzlich darf in Strafverfahren nur in Anwesenheit des Angeklagten verhandelt werden, bei Abwesenheit kann nach § 230 StPO kein Urteil ergehen. Das Gericht ist gemäß § 236 StPO jederzeit befugt, das persönliche Erscheinen des Angeklagten anzuordnen und durch einen Vorführungsbefehl oder Haftbefehl zu erzwingen.
Freistellung nur in Ausnahmefällen
Auf seinen Antrag kann der Angeklagte von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Haupthandlung in bestimmten Fällen entbunden werden. Bedingung hierfür ist gemäß § 233 StPO, dass
- er zunächst durch einen beauftragten oder ersuchten Richter zur Anklage vernommen wird, § 233 Abs. 2 Satz 1 StPO und
- er in dieser Vernehmung über die möglichen Rechtsfolgen dieser Verfahrensweise belehrt wird.
Diese Art der Vernehmung kann gemäß § 233 Abs. 2 Satz 3 StPO auch durch eine Videoverhandlung mit dem Angeklagten ersetzt werden. Der Anwesenheit von Staatsanwaltschaft und Verteidiger bedarf es für diese Videoverhandlung nicht, § 233 Abs. 3 StPO.
Eingeschränkte Rechtsfolgen
In Fällen der Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten sind die möglichen Rechtsfolgen, die das Gericht verhängen kann, gemäß § 233 StPO deutlich eingeschränkt:
- Die maximale Freiheitsstrafe beträgt 6 Monate,
- die maximale Geldstrafe 180 Tagessätze.
- Möglich sind auch eine Verwarnung mit Strafvorbehalt,
- die Verhängung eines Fahrverbots,
- die Anordnung einer Einziehung, einer Vernichtung oder Unbrauchbarmachung.
- Auch die Entziehung der Fahrerlaubnis ist möglich, § 233 Abs. 1 Satz 3 StPO.
Abwesenheit in OWi-Sachen
Im Ordnungswidrigkeitsverfahren ist der Betroffene nach § 73 Abs. 1 OWiG zur Anwesenheit verpflichtet. Die Hauptverhandlung wird allerdings in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführt, wenn er nicht erschienen ist und von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden war. Das Gericht entbindet den Betroffenen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen, wenn er sich zur Sache geäußert oder eindeutig erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde. Darüber hinaus darf seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich sein, § 73 Abs. 2 OWiG. Auch in diesem Fall kann er sich von einem Verteidiger vertreten lassen, § 73 Abs. 3 OWiG. Frühere Vernehmungen des Betroffenen und seine schriftlichen oder protokollierten Erklärungen sind durch Mitteilung ihres wesentlichen Inhalts oder durch Verlesung in die Hauptverhandlung einzuführen.
Fernbleiben ohne Entschuldigung
Bleibt der Betroffene ohne genügende Entschuldigung aus, obwohl er von der Verpflichtung zum Erscheinen nicht entbunden war, hat das Gericht gemäß § 74 Abs. 2 OWiG den Einspruch ohne Verhandlung zur Sache durch Urteil zu verwerfen. Konsequenz: Selbst grob rechtswidrige Bescheide erlangen so Gültigkeit. Denn das Gericht prüft die materielle Rechtslage im Fall eines Verwerfungsurteils erst gar nicht. Hat die Hauptverhandlung ohne den Betroffenen stattgefunden, so kann er gegen das Urteil binnen einer Woche nach Zustellung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den gleichen Voraussetzungen wie gegen die Versäumung einer Frist nachsuchen. Hierüber ist er bei der Zustellung des Urteils zu belehren.