Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 5
Durch § 403 AO wird der FinB ein Recht auf Mitwirkung und Information in (Steuerstraftaten betreffenden) Ermittlungsverfahren eingeräumt, die von der StA oder der Polizei durchgeführt werden. Damit soll die Sach- und Rechtskunde der FinB möglichst frühzeitig in dem von einer anderen Behörde betriebenen Strafverfahren nutzbar gemacht werden (s. Rz. 1). Nach Tormöhlen spiegelt die Vorschrift eine gewisse Skepsis des Gesetzgebers an der zweckmäßigen Behandlung von Steuerstrafsachen durch die StA wider, zumal es an einer Entsprechung im OWiG für die Verwaltungsbehörde im staatsanwaltschaftlichen Verfahren fehle.
Rz. 6
§ 403 AO muss im Zusammenhang mit §§ 406, 407 AO gesehen werden, die der FinB im gerichtlichen Verfahren das Recht sichern, an Verhandlungen teilzunehmen und gehört zu werden. Durch die frühe Einbeziehung gem. § 403 AO kann sich die FinB auf die spätere gerichtliche Beteiligung vorbereiten.
Rz. 7
Der von den Verfassern der EAO 1974 vorgebrachte Gedanke der Waffengleichheit, da der StA auf Verteidigerseite oft zusätzlich ein steuerlich versierter Steuerberater gegenüberstehe (s. Rz. 4), war früher zweifelhaft, als die Verteidigung noch keine der FinB gem. § 403 AO eingeräumten Anwesenheits- und Fragerechte hatte. Durch das Zweite Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts mit Wirkung ab 5.9.2017 hat sich dies geändert (vgl. § 163a Abs. 4 StPO). Der Verteidiger hat nicht mehr nur gem. § 168c Abs. 1, § 163a Abs. 3 Satz 2 StPO das Recht auf Anwesenheit bei richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Vernehmungen des Beschuldigten sowie gem. § 168c Abs. 2 StPO bei einer richterlichen Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, sondern auch ein Anwesenheitsrecht bei einer Beschuldigtenvernehmung durch die Polizei, die Steufa oder das ZFA (§ 163a Abs. 4 Satz 3 StPO n.F. i.V.m. § 168c StPO, § 385 Abs. 1 AO; s. § 385 Rz. 160 f.).
Rz. 8
Auch die Ansicht, den Zweck des § 403 AO in der schnelleren Festsetzung der verkürzten Steuern zu erblicken, überzeugt nicht. Darauf hebt zwar die Begründung des Regierungsentwurfs ab (s. Rz. 1). Nach Joecks steht es dem Gesetzgeber frei, Ergebnisse des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens zu Zwecken des Besteuerungsverfahrens nutzbar zu machen, was auch in § 393 Abs. 3 AO zum Ausdruck komme (s. § 393 Rz. 260 ff.). Auch Nr. 92 Abs. 4 AStBV (St) 2023 (s. AStBV Rz. 92) betont diesen fiskalischen Aspekt.
Eine derartige Sichtweise verstieße jedoch gegen das Prinzip der strikten Verfahrenstrennung (s. näher § 393 Rz. 27, 31 ff., 132 ff., 155 ff.). Die Durchsetzung konkreter Steueransprüche gehört ersichtlich nicht zu den Aufgaben des Steuerstrafrechts. Auf eine Trennung der unterschiedlichen Verfahrensordnungen ist insbesondere auch im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Selbstbelastungsverbotes und bei der Frage nach Verwertungsverboten streng zu achten.
Nach Tormöhlen genügt zur Erreichung dieses Ziels bereits das Akteneinsichtsrecht der FinB gem. § 395 AO in die Strafakten, einer Regelung des § 403 AO bedürfe es hierzu nicht.
Rz. 9
Auch die Argumentation, durch § 403 Abs. 1 AO solle Einwendungen des Beschuldigten gegen die Anwesenheit von Finanzbeamten begegnet werden (s. Rz. 1), erscheint unschlüssig, werden doch gerade dadurch noch weitergehende Beteiligungsrechte der FinB begründet.
Rz. 10
Die Vorschrift gewährt der FinB bestimmte Teilnahmerechte, von denen sie nicht Gebrauch machen muss. Die Rechtsausübung liegt im Ermessen der FinB. Die StA kann eine Teilnahme der FinB nicht erzwingen. Daher kommt es entscheidend auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von FinB und StA an.
Gemäß Art. 92 Abs. 1 Satz 3 AStBV (St) 2023 "soll in Fällen von Gewicht oder auf Antrag des Beschuldigten in der Regel Gebrauch gemacht werden".