a) § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO (Vorfeldermittlungen)

 

Rz. 704

[Autor/Stand] Beim Einsatz eines Flankenschutzfahnders zu unangekündigten Kontrollbesuchen beim Stpfl. ist die Aufgabenzuweisung in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO (Vorfeldermittlungen) oder in § 208 Abs. 2 Nr. 1 AO (Tätigwerden aufgrund Ersuchen) zu sehen.

 

Rz. 705

[Autor/Stand] Nach dem BFH können Kontrollbesuche aufgrund von Vorfeldermittlungen gem. § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO erfolgen. So entschied der BFH bei Kontrollbesuchen in Bordellen[3]. Der BFH führt aus[4]:

„Das Tätigwerden der Steuerfahndung zur Ermittlung unbekannter Steuerfälle und ihre Befugnis, zur Aufgabenerfüllung die Augenscheineinnahme durchzuführen und dazu Grundstücke etc. zu betreten, beruhen auf § 85, § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 208 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 99 Abs. 1, § 208 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 200 Abs. 3 Satz 2 AO 1977. Diese verfassungsrechtlich unbedenklichen (vgl. BFH v. 29.10.1986 – VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, DStR 1987, 194 [= DB 1987, 420 = AfP 1987, 545]; dazu BVerfG v. 6.4.1989 – 1 BvR 33/87, NJW 1990, 701, HFR 1989, 440 [= CR 1989, 827 m. Anm. Eilers]; BVerfG v. 13.10.1971 – 1 BvR 280/66, BVerfGE 32, 54, NJW 1971, 2299) gesetzlichen Regelungen bestimmen Inhalt und Schranken des Eigentums i.S. des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. [...]

Die Kontrollbesuche der Steuerfahndung, die die Antragstellerin mit dem vorliegenden Verfahren verhindern will, sind von § AO § 208 Abs. AO § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § AO § 208 Abs. AO § 208 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § AO § 99 Abs. AO § 99 Abs. 1 AO 1977 gedeckt. Danach ist die Steuerfahndung zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle berechtigt, Grundstücke, (Geschäfts-)Räume etc. zu betreten, soweit dies erforderlich ist, um im Besteuerungsinteresse Feststellungen zu treffen.”

Ebenfalls bejaht der BFH den erforderlichen "hinreichenden Anlass" und die Verhältnismäßigkeit für die Kontrollbesuche. Sodann sei diese Maßnahme verfassungsrechtlich (Art. 13 GG) unbedenklich.

 

Rz. 706

[Autor/Stand] Bei Vorfeldermittlungen ist ein "hinreichender Anlass" (s. Rz. 212) erforderlich, welche bei dem Einsatz von Flankenschutzfahndern in den aufgezeigten Sachverhalten nicht in jedem Fall vorliegt[6]. Unerheblich soll auch sein, dass die Fahndung auf Initiative des Innendienstes des FA tätig wird[7].

 

Rz. 707

[Autor/Stand] Die Kritik an dem Urteil des BFH aus der Literatur[9] weist darauf hin, dass bei dem Kontrollbesuch im Bordell entscheidend war, dass bei selbständigen Prostituierten eine besondere Kontrollbedürftigkeit besteht, weil nach Feststellungen des Bundesrechnungshofs nur weniger 1 % der Prostituierten im Inland steuerlich erfasst sind[10]. Hierzu wird angemerkt, dass in "gewissen Branchen" ohne regelmäßige Kontrollbesuche eine gleichmäßige Besteuerung nicht erfolgen könne[11]. Insoweit stellt sich die Frage, ob die Entscheidung des BFH verallgemeinerungsfähig ist[12].

 

Rz. 708

[Autor/Stand] Die Tätigkeit der Steuerfahndung im Bereich der Vorfeldermittlungen dient der Aufklärung unbekannter Steuerfälle, worunter nach Auffassungen in der Literatur auch ein bekannter Stpfl. mit einem unbekannten steuerlichen Sachverhalt fällt[14]. Nach anderen Auffassungen[15] liegt bei dem Einsatz von Flankenschutzfahndern kein unbekannter Steuerfall vor. Für Parigger[16] gibt es keine gesetzliche Grundlage für den Einsatz von Flankenschutzfahndern. Das Gebot strikter Verfahrenstrennung und das rechtsstaatliche Gebot der Verfahrensklarheit stünden dem Einsatz entgegen.

b) § 208 Abs. 2 Nr. 1 AO (Tätigwerden aufgrund Ersuchens)

 

Rz. 709

[Autor/Stand] Sodann kommt, auch bei Unanwendbarkeit der Aufgabenzuweisung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, eine Tätigkeit des Flankenschutzfahnders aufgrund des Ersuchens des Festsetzungsfinanzamtes nach § 208 Abs. 2 Nr. 1 AO in Betracht[18].

 

Rz. 710

[Autor/Stand] Das FG Münster[20] (s. § 385 Rz. 1111) erläutert in dem Fall, dass ein Flankenschutzfahnder unangemeldet beim Stpfl. in dessen Wohnung zur Kontrolle eines häuslichen Arbeitszimmers erschien, das Betreten von Wohnungen von Stpfl. sei kein Verwaltungsakt, sondern ein Realakt. Das FG Münster führt sodann aus:

„Der – wie hier – unangekündigt erscheinende Finanzbeamte hat von Gesetzes wegen keine Zutrittsberechtigung; das Betreten der Wohnung kann von dem Steuerpflichtigen verweigert werden, dem m.a.W. kein Tun, Dulden oder Unterlassen auferlegt wird. [...]

Im vorliegenden Fall mag zwar ein Beamter der Steuerfahndung tätig geworden sein; hiermit ist allerdings nicht zugleich der Vorwurf der Steuerhinterziehung verknüpft. Neben der Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten und den damit in Zusammenhang stehenden Besteuerungsgrundlagen (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AO) ist die Steuerfahndung auch zuständig für steuerliche Ermittlungen einschließlich der Außenprüfung auf Ersuchen der zuständigen Finanzbehörde (§ 208 Abs. 2 Nr. 1 AO); [...]

Aufgrund dieser ‚janusköpfigen Doppelzuständigkeit‘ (Anders, DStR 2012, 1179, 1780; Rüping, DStR 2002, 2020, 2023) is...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Steuer Office Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge