Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
A. Entstehungsgeschichte und Zweck der Vorschrift
Rz. 1
§ 409 AO stimmt nahezu wortgleich mit der Vorläuferbestimmung des § 446 RAO überein, der im Zuge mit der Einführung der Steuerordnungswidrigkeiten durch Art. 1 Nr. 1 des 2. AOStrafÄndG v. 12.8.1968 in die RAO eingefügt wurde. Allein das Wort "Finanzamt" wurde durch "Finanzbehörde" ersetzt. Erfasst werden damit auch das HZA und die Familienkasse (s. Rz. 4).
Rz. 2
Sachlich zuständig zur Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten ist die Verwaltungsbehörde, die das Gesetz bestimmt (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG). Gemäß § 409 Satz 1 AO unter Verweisung auf § 387 Abs. 1 AO ist das die FinB, die die betreffende Steuer verwaltet. Durch die weitere Verweisung des § 409 Satz 2 AO auf § 387 Abs. 2 AO ist dies bei einer Zuständigkeitskonzentration – wie in aller Regel – die gemeinsame Bußgeld- und Strafsachenstelle bei einer FinB. Auf die Erl. zu § 387 wird verwiesen.
Die Zuständigkeit der FinB entspricht damit derjenigen bei Steuerstraftaten. Dadurch wird eine unterschiedliche Behördenzuständigkeit bei der Verfolgung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten vermieden, denn oft hängt die Zuordnung des vorwerfbaren Verhaltens allein von der subjektiven Tatseite bei §§ 370, 378 AO ab (s. § 370 Rz. 602 f.; § 378 Rz. 55 ff.). Wegen der Sachnähe und der Fachkompetenz der Ermittlungsbehörde ist diese Zuständigkeitsverweisung zweckmäßig und begründet damit eine Regelkompetenz der FinB (auch) für diesen Bereich (zu den Ausnahmen s. Rz. 7).
B. Zuständigkeit zur Verfolgung von Steuerordnungswidrigkeiten
I. Finanzbehörde
Ergänzender Hinweis: Nr. 105–112 AStBV (St) 2023 (s. AStBV Rz. 105 ff.)
1. Steuerordnungswidrigkeiten
Rz. 3
Die Verfolgungskompetenz der FinB gem. § 409 AO AO i.V.m. §§ 35, 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG, § 387 AO erstreckt sich auf die in § 377 Abs. 1 AO genannten Steuerordnungswidrigkeiten und gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten (vgl. auch die Auflistung in Nr. 105–108 AStBV (St) 2023; s. AStBV Rz. 105 ff. sowie § 377 Rz. 11 ff.).
Danach sind dies insbesondere
- die leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO),
- die Steuergefährdung (§ 379 AO),
- die Gefährdung der Abzugsteuern (§ 380 AO),
- die Verbrauchsteuergefährung (§ 381 AO),
- die Gefährdung der Einfuhr- und Ausfuhrabgaben (§ 382 AO),
- der unzulässige Erwerb von Steuererstattungs- und Vergütungsansprüchen (§ 383 AO),
- die Pflichtverletzung bei Übermittlung von Vollmachtsdaten i.S.d. § 80a AO (§ 383b AO),
- Verstöße gegen Art. 83 VO EU2016679:Verordnung EU 2016/679 (§ 384a AO),
- die missbräuchliche Verwendung eines ELStAM (§ 39 Abs. 9 EStG),
- die Nichtabgabe einer Mitteilung nach §§ 45d, 45e EStG an das BZSt (§ 50e Abs. 1 EStG),
- die zweckwidrige Verwendung der Identifikationsnummer beim Rentenbezugsmitteilungsverfahren (§ 50f EStG),
- Ordnungswidrigkeiten nach § 26a UStG,
- der Verstoß gegen erbschaftsteuerliche Anzeigepflichten (§ 33 Abs. 4 ErbStG),
- Verstöße gegen das ZollVG (§§ 31 ff. ZollVG),
- Ordnungswidrigkeiten nach § 36 Abs. 3 TabStG,
- Schwarzhandel mit Zigaretten nach § 37 TabStG,
- Ordnungswidrigkeit nach § 28 FKAustG.
Rz. 3.1
Keine Steuerordnungswidrigkeit ist die Aufsichtspflichtverletzung nach § 130 OWiG (s. § 377 Rz. 14).
Rz. 3.2
Nach h.M. stellen auch die unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen nach § 160 StBerG und die Ordnungswidrigkeiten nach §§ 161–163 StBerG keine Steuerordnungswidrigkeiten dar (s. § 377 Rz. 14). Gleichwohl ist die FinB für deren Verfolgung und Ahndung zuständig (§ 164 StBerG).
2. Sachliche Zuständigkeit (§ 409 Satz 1 AO)
Rz. 4
Sachlich zuständig i.S.d. § 409 Satz 1 AO i.V.m. 387 Abs. 1 AO ist die FinB, die die betreffende Steuer verwaltet (s. § 387 Rz. 7 f.). Das ist bei Einfuhrabgaben und Verbrauchsteuern das HZA, beim Kindergeld die Familienkasse und ansonsten das FA, z.B. bei einer leichtfertigen Steuerverkürzung in Bezug auf Einkommensteuer, Umsatzsteuer oder Lohnsteuer (§ 16 AO, § 12 Abs. 2, § 17 Abs. 2 FVG) und die Rentenversicherung Bund für Ordnungswidrigkeiten nach § 50f EStG (s. Rz. 3.1).
Rz. 4.1
Bei Ordnungswidrigkeiten nach § 8 SchwarzArbG regelt § 12 Abs. 1 SchwarzArbG die Zuständigkeit der Zollbehörden. Das sind in der Regel die Landkreise bzw. Landratsämter und kreisfreien Städte (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 SchwarzArbG). Dabei geht es um die Ahndung von Verstößen gegen die Verpflichtung zur Anzeige eines stehenden Gewe...