Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialplan. Diskriminierung rentennaher Arbeitnehmer durch Abfindungsregelung (verneint)
Leitsatz (redaktionell)
Eine Sozialplanregelung, die für über 59-jährige Mitarbeiter wegen der zeitlichen Nähe zum Rentenbezug geringere Abfindungssätze vorsieht als für jüngere Mitarbeiter, ist nach § 10 S. 3 Nr. 6 AGG wirksam.
Normenkette
AGG § 10 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 12.06.2007; Aktenzeichen 8 Ca 1504/07) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 12.06.2007 – 8 Ca 1504/07 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe einer dem Kläger zustehenden Sozialplanabfindung und hier insbesondere über die Frage, ob die Berechnungsformel im Sozialplan den Kläger aus Altersgründen diskriminiert.
Der am …1946 geborene Kläger war als Disponent mit einem monatlichen Bruttogehalt i.H.v. ca. 5.000,– EUR beim beklagten Unternehmen, das Radlader und Mobilbagger herstellt, insgesamt 43 Jahre bis zum 30.11.2006 beschäftigt. Nach Ankündigung von Produktionseinstellungen und Massenentlassungen kam es zu einem Arbeitskampf bei der Beklagten, der u.a. mit einer Vereinbarung zwischen der Beklagten, dem bei ihr bestehenden
Betriebsrat und der IG-Metall vom 01.06.2006 beendet wurde. Nach dieser Vereinbarung zur Beendigung des Arbeitskampfes und zum Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans über die von der Beklagten geplante Betriebsänderung sollten von den Betriebsparteien u.a. ein Interessenausgleich und ein Sozialplan vereinbart werden. Die Beklagte stellte danach für den Sozialplan und die 333 von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer insgesamt 29 Mio EUR bereit und es wurde eine Namensliste zum Interessenausgleich vereinbart, in die der Kläger aufgenommen worden ist. Nach Ziffer 6 dieser Vereinbarung berechnete sich die Sozialplanabfindung nach einer Formel, die in den später abgeschlossenen Sozialplan aufgenommen worden ist. Die Vereinbarung vom 01.06.2006 ist im Rahmen einer Urabstimmung bei der Beklagten von über 70% der Beschäftigten angenommen worden.
Nachdem die Beklagte das klägerische Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.06.2006 gekündigt hatte, beendeten die Parteien gem. dreiseitigem Vertrag das Arbeitsverhältnis zum 30.11.2006 und der Kläger wechselte in eine von der Beklagten zu finanzierende Beschäftigungsgesellschaft mit befristetem Arbeitsvertrag vom 01.12.2006 bis zum 31.11.2007.
Die Beklagte vereinbarte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat unter dem 12,19, und 25.10.2006 einen Sozialplan, auf dessen Inhalt (Bl. 13-24 d. A.) Bezug genommen wird. Gem. § 1 Abs. 1 gilt der Sozialplan für alle unbefristet beschäftigten Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis auf Veranlassung der Beklagten aufgrund der Ankündigung der betrieblichen Maßnahmen u.a. aufgrund Aufhebungsvertrags beendet haben. Weiter heißt es dort:
„§ 5
Abfindungen
(1) Die Abfindung setzt sich aus (a) einem Grundbetrag und (b) etwaigen Zuschlägen für Kinder und Schwerbehinderung zusammen.
(a) Grundbetrag
□ Bis zu 59-jährige Mitarbeiter erhalten eine Abfindung nach folgender Berechnungsformel:
Faktor 1,36 × vollendete Beschäftigungsjahre × (Jahresbruttoeinkommen 2005/12)
[…]
□ Arbeitnehmer, die älter als 59 Jahre sind, erhalten für jeden diesen bis zum 63. Lebensjahr noch fehlenden Monaten, abzgl. der (ggf. fiktiven) Verweildauer in der Transfergesellschaft, einen Betrag von 1.700,00 EUR zzgl. einer Zahlung von 20.000,00 EUR.
[…]
□ Stichtag für die Berechnung des Alters und der Beschäftingungsjahre ist der 30.Juni 2006.
[…]
§ 8
[…]
(1) Der Anspruch auf die Abfindung gem. §§ 5,6 dieses Sozialplans entsteht zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses […]
(2) Der Anspruch wird mit der auf den Monat des Ausscheidens folgenden Lohn- bzw. Gehaltsabrechnung fällig. Auf Wunsch des Arbeitnehmers kann die Auszahlung zu einem späteren Zeitpunkt im Jahre 2007 erfolgen. Dieser Wunsch muss bis zum 15. November 2006 bei der Personalabteilung eingegangen sein. […]”
Im Übrigen begrenzt der Sozialplan in § 5 Abs. 4 die Höhe der Abfindung auf 120.000,– EUR pro Arbeitnehmer.
Neun der 333 vom Sozialplan insgesamt erfassten Arbeitnehmer sind älter als 59 Jahre, darunter auch der Kläger.
Mit Schreiben vom 15.11.2006 teilte die Beklagte mit, dass sie dem Kläger eine Sozialplanabfindung in Höhe von 60.800,– EUR zahlen werde. Mit E-Mail vom gleichen Tage bat der Kläger um Auszahlung der Abfindungssumme Anfang Januar 2007.
Dies geschah am 30.01.2007.
Bis November 2007 hat der Kläger von der Beschäftigungsgesellschaft monatlich 2.853,– EUR netto erhalten; von Dezember 2007 bis voraussichtlich Mai 2009 wird der Kläger von der Arbeitsagentur Arbeitslosengeld in Höhe von 1.650,– EUR erhalten; ab Juni 2009 wird der Kläger eine gesetzliche Altersrente in Höhe von 1.660,– EUR erhalten. Mit Erreichen des 65. Lebensjahres wird der Kläger ...