Leitsatz (amtlich)
Der Sonderkündigungsschutz für Schwerbehinderte kann auch dann eingreifen, wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft noch nicht gestellt ist (Abweichung von BAG Urt. v. 05.07.1990 Az.: 2 AZR 8/90 = AP Nr. 1 zu § 15 SchwbG 86 = EzA § 15 SchwbG 86 Nr. 3 = DB 91, 2676).
Normenkette
SchwbG §§ 15, 4
Verfahrensgang
ArbG Celle (Entscheidung vom 31.01.2000; Aktenzeichen 2 Ca 31/00) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 31.01.2000 Az.: 2 Ca 31/00 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist bei dem Beklagten seit dem 01.04.1997 als Kraftfahrer mit einem monatlichen Verdienst von durchschnittlich 4.300,00 DM brutto beschäftigt gewesen.
Der Beklagte hat außer dem Kläger keine weiteren Arbeitnehmer beschäftigt.
Seit Mai 1999 ist der Kläger wegen einer Darmerkrankung arbeitsunfähig erkrankt. Dabei wurde bei dem Kläger ein künstlicher Darmausgang angelegt; im August und September 1999 schloss sich ein Aufenthalt in einer Reha-Klinik an; im Anschluss daran war der Kläger weiter arbeitsunfähig krank.
Am 19.10.1999 unterrichtete der Kläger den Beklagten über einen weiteren bevorstehenden Krankenhausaufenthalt ab dem 20.10.1999.
Mit Schreiben vom 21.10.1999 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 30.11.1999.
Am 28.10.1999 beantragte der Kläger beim Versorgungsamt der Stadt H seine Anerkennung als Schwerbehinderter.
Auf diesen Antrag hin hat das Versorgungsamt mit Bescheid vom 25.11.1999 eine Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers mit einem Grad der Behinderung von 100 wegen chronischer Darmerkrankung mit Wirkung ab 16.05.1999 zunächst bis zum 30.11.2004 anerkannt.
Mit Anwaltsschreiben vom 28.10.1999 hat der Kläger sich gegenüber dem Beklagten auf seine Schwerbehinderteneigenschaft berufen und geltend gemacht, dass die Kündigung aus diesem Gesichtspunkt unwirksam sei.
Auf dieses Schreiben hat der Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 01.11.1999 erwidert.
Der Kläger hat mit der am 17.11.1999 erhobenen Kündigungsschutzklage behauptet:
Er habe dem Beklagten bereits im Mai 1999 und nochmals am 19.10.1999 mitgeteilt, dass er einen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter stellen werde.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 21.10.1999 nicht aufgelöst worden ist.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Kündigung damit begründet, dass er aus wirtschaftlichen Gründen seinen Betriebssitz zum 01.11.1999 an seinen Wohnsitz nach B. verlegt habe und künftig von dort aus ohne einen fest angestellten Mitarbeiter tätig werden wolle.
Das Arbeitsgericht, auf dessen Urteil auch wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, wie er in erster Instanz zur Entscheidung vorgelegen hat, hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, dass der Kläger im Zeitpunkt der Kündigungserklärung objektiv schwerbehindert gewesen sei und eine vorherige Zustimmung der Hauptfürsorgestelle für die Kündigung nicht vorgelegen habe; der entgegenstehenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der der Sonderkündigungsschutz für schwerbehindert nur eingreift, wenn im Zeitpunkt der Kündigungserklärung zumindest ein Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter gestellt worden ist, könne nicht gefolgt werden, da eine derartige Einschränkung des Sonderkündigungsschutzes im Gesetz nicht vorgesehen sei und ein gebotener Schutz des Arbeitgebers eine soweitgehende Einschränkung nicht rechtfertige.
Mit der Berufung macht der Beklagte weiterhin geltend, dass der Kläger den besonderen Kündigungsschutz des Schwerbehindertengesetzes für sich nicht in Anspruch nehmen könne, weil er im Zeitpunkt der Kündigungserklärung noch keinen entsprechenden Feststellungsantrag beim Versorgungsamt gestellt hatte und eine Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers auch nicht offenkundig gewesen sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 31.01.2000 Az.: 2 Ca 31/00 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und vertritt weiterhin die Auffassung, dass ein Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach der gesetzlichen Regelung keine Voraussetzung für die Inanspruchnahme des besonderen Kündigungsschutzes als Schwerbehinderter sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist nicht begründet.
Die Kündigung des Beklagten vom 21.10.1999 ist gemäß § 15 SchwbG, 134 BGB unwirksam, da der Kläger im Zeitpunkt der Kündigungserklärung Schwerbehinderter gewesen ist, eine vorherige Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zu der Kündigung vom 21.10.1...