Dr. Carl Ulrich Hildesheim
Rn. 7
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Es gelten die Grundsätze zu § 7i EStG entsprechend.
Die Reichweite der Bindungswirkung der behördlichen Bescheinigung hängt vom jeweiligen konkreten Inhalt der Bescheinigung ab. Ihr Regelungsinhalt ist erforderlichenfalls im Wege der Auslegung unter ergänzender Heranziehung der Vorschriften des BGB zu ermitteln. Das bedeutet, dass empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen sind, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände verstehen muss (Empfängerhorizont). Es ist daher auch zu berücksichtigen, welche behördliche Entscheidung der Betroffene nach seinem Empfängerhorizont in Kenntnis des in seiner Wissenssphäre verwirklichten Sachverhalts billigerweise erwarten durfte. Die Auslegung obliegt ggf dem Revisionsgericht in eigener Zuständigkeit (BFH BStBl II 2018, 272; 2009, 596).
Hat die Bescheinigungsbehörde über eine der Voraussetzungen des § 7i Abs 1 EStG keine bindende oder keine Entscheidung getroffen, führt dies nicht zu einem Heimfall der Prüfungsbefugnis an das FA, sondern bedeutet lediglich, dass die in § 7h Abs 2 EStG geforderte Bescheinigung nicht vorliegt. Das FA ist in einer solchen Konstellation allenfalls zur vorläufigen Schätzung nach § 162 Abs 5 AO befugt (BFH BStBl II 2015, 12 zu § 7i EStG; auch s Rn 7a). Hat die Bescheinigungsbehörde sich umgekehrt zu Fragen geäußert, die nicht in ihre Zuständigkeit gehören, sind derartige Aussagen insoweit nicht bindend (BFH BFH/NV 2018, 416 zu § 7h EStG).
Zu berücksichtigen ist bei der Auslegung auch, dass die Bescheinigung objektbezogen auszustellen ist (BFH BStBl II 2017, 523).
Die Bescheinigung als Grundlagenbescheid iSd § 7i Abs 2 EStG ist insoweit bindend, als sie den Nachweis dieser denkmalschutzrechtlichen Voraussetzungen des § 7i Abs 1 EStG erbringt. Über das Vorliegen der übrigen Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Vorschriften des Steuerrechts haben die FinBeh in eigener Zuständigkeit zu entscheiden (vgl BFH BStBl II 2003, 912; 2004, 711; Pfirrmann in Kirchhof/Seer, § 7i EStG Rz 7, 21. Aufl).
Nach ständiger höchstrichterlicher Rspr umfasst die verbindliche Feststellung einer Bescheinigung nach § 7i Abs 2 EStG Tatbestände des zum Landesrecht gehörenden Denkmalrechts:
- die Denkmaleigenschaft des Gebäudes und
- die Erforderlichkeit der Aufwendungen nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu einer sinnvollen Nutzung. Die Bindungswirkung erfasst daher auch die Feststellung darüber, ob und welche Aufwendungen zur Erhaltung und sinnvollen Nutzung des Denkmals erforderlich sind (BFH BFH/NV 2001, 1397; FG BdW vom 26.10.2012, 10 K 4743/10, bestätigt durch BFH BFH/NV 2013, 1942).
Unter den zuständigen BFH-Senaten war die Frage streitig, ob für das FA eine Bindungswirkung besteht, wenn die Denkmalbehörde die Denkmaleigenschaft bescheinigt, aber in steuerrechtlicher Hinsicht ein Neubau bzw ein bautechnisch neues Gebäude gegeben ist:
- Erfasst die Bescheinigung Tatbestandsmerkmale, die zugleich denkmalschutzrechtliche und steuerrechtliche Bedeutung haben, so ist nach dem Urt des IX. Senats des BFH BStBl II 2003, 912 die in der Bescheinigung zum Ausdruck kommende denkmalschutzrechtliche Beurteilung auch steuerrechtlich bindend, weil andernfalls der Normzweck des damaligen § 82i EStDV bzw § 7i EStG, denkmalschutzrechtlich erforderliche Investitionen zu begünstigen, durch eine abweichende steuerrechtliche Beurteilung der FinBeh unterlaufen werden könnte (s auch BFH BFH/NV 2003, 744 zur Identität des instandgesetzten mit dem ursprünglichen Gebäude). Zum Ganzen s auch BFH BStBl II 2017, 523 zu § 7h EStG.
- Dem war (zunächst) der X. Senat des BFH teilweise entgegengetreten: Nur dem FA sei auch die Beurteilung, ob ein Gebäude ein Baudenkmal oder ein Neubau ist, vorbehalten (BFH BStBl II 2004, 711; FG BdW EFG 2012, 2110, bestätigt durch BFH BFH/NV 2015, 194). Das gilt nach Ansicht des X. Senats jedenfalls dann, wenn die Bescheinigung der Denkmalbehörde einen (landesrechtlich vorgesehenen) ausdrücklichen Hinweis auf die erweiterte Prüfungsmöglichkeit der FinBeh enthält. In diesen Fällen darf und muss das FA auch prüfen, ob es sich um einen Neubau handelt (BFH BStBl II 2009, 596). Etwas anderes – umfassende Bindung, auch hinsichtlich des Abzugsbetrages (BFH BStBl II 2009, 960) – würde nur dann gelten, wenn der entsprechende Hinweis in der Bescheinigung gefehlt hätte (BFH BStBl II 2009, 960); das gilt auch für den Anwendungsbereich des § 11b EStG.
Der X. Senat hat aber später seine Rspr ausdrücklich aufgegeben zu Gunsten einer Bindung entsprechend den Grundsätzen des IX. Senats (BFH BStBl II 2015, 367); die dortige Entscheidung betrifft zwar einen Fall nach § 7h EStG, gilt aber auch für dieselbe Problematik bei § 7i EStG (so auch zu Recht s § 7i Rn 18b (Handzik)).
Zur Bindungswirkung auch der Höhe der von der Denkmalbehörde bescheinigten Aufwendungen s Rn 8 und Förster, HFR 2015, 217.
Rn. 7a
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Die Bindungswirkung der Bescheinigungsb...