Rn. 106
Stand: EL 171 – ET: 02/2024
Eine allg anerkannte Begriffsbestimmung der Familien-PersGes gibt es nicht (s Hennerkes/May, DB 1988, 483, FN 1; Messmer, StbJb 1979/80, 163, 165). Die Orientierung an § 15 AO scheint mir für die Praxis ungeeignet (s hierzu mwN Stuhrmann, FS Schmidt 1993, 404 mwN; aA Carlé/Halm, KÖSDI 2000, 12 383 mwN).
Das Rechtsinstitut ist geschaffen von Rspr und FinVerw zur Vermeidung von Steuerverkürzung im Rahmen von "Wirtschaftsgemeinschaften" (s Rn 22) und charakterisiert solche Gesellschaftsverhältnisse, bei denen Ehegatten oder Elternteile und – vor allem minderjährige – Kinder an einer PersGes als Mitunternehmer (s Rn 23: Kommanditisten; atypisch still Beteiligte bzw atypisch still Unterbeteiligte) beteiligt sind.
Die zivil- u steuerrechtlichen Regeln für PersGes, insb die für Familien-PersGes typischen Rechtsformen
- Familien-(GmbH & Co) KG bzw
- Familien-(GmbH & Co KG) & atypisch Still bzw
- Familien-GmbH & atypisch Still,
sind weitgehend dispositiv, was
- die gewünschte Flexibilität der Rechtsform und
- die besondere Bedeutung der Selbstfinanzierung für Bestand und Wachstum des gemeinsamen Unternehmens unter entsprechender Reduzierung von Entnahmerechten, Kündigungsmöglichkeiten und Abfindungsansprüchen der Gesellschafter, insb wenn es sich dabei um nicht tätige Ehefrauen bzw noch minderjährige Kinder handelt: auch s Holler, BB 2012, 719 mwN,
gewährleistet.
Wegen des zwischen Fremden typischerweise bestehenden, bei Familienangehörigen fehlenden Interessengegensatzes u der hieraus resultierenden Gefahr des steuerlichen Missbrauchs zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten (zB BFH v 12.05.2016, BFH/NV 2016, 1559 Rz 22) kann der Gesellschaftsvertrag einer Familien-PersGes trotz des auf geschäftliche o gesellschaftsrechtliche Beziehungen deutenden äußeren Bildes privat veranlasste Zuwendungen (§ 12 Nr 2 EStG) zwischen den Vertragsbeteiligten beinhalten (BFH BStBl II 2001, 186 zu 2.a.; BVerfG v 07.11.1995, 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34).
Das Bedürfnis nach einer rechtssicheren Gestaltung zur Vermeidung der Anwendung von § 12 Nr 2 EStG (s Rn 22 zu (1)) mit der Folge, dass zB Gewinnanteile von nicht tätigen Familiengesellschaftern umqualifiziert werden zu steuerlich nicht abzugsfähigen Unterhaltsleistungen (so zB s FG SchlH v 17.12.2015, EFG 2016, 618, wenn die Gesellschafterstellung von minderjährigen Kindern von vornherein nur befristet auf die Zeit angelegt ist, in der die Kinder voraussichtlich unterhaltsbedürftig sind u ihre Mitunternehmerinitiative wegen Minderjährigkeit noch nicht entfalten werden), hat den Ruf nach der Anerkennung der spezifischen Besonderheiten u Bedürfnisse der Familien-PersGes durch die Rspr hervorgebracht (auch s Rn 23e zu (12)), bejahend zB Ulmer, ZIP 2010, 549 u 805.
Bei welchem Gesellschafterkreis ist nun von einer Familien-PersGes zu sprechen?
- Ehegatten
- Ehegatten/Elternteile u minderjährige Kinder
- Großeltern und Enkel (nahe Angehörige iS einer Familien-PersGes, wovon der BFH ohne nähere Begründung ausgegangen ist: BFH BStBl II 1991, 391)
- Schwiegereltern und Schwiegerkinder, BFH BFH/NV 1988, 628
- bei fremden Dritten nur, wenn die Familienangehörigen die PersGes beherrschen: s BFH v 09.10.2001, BStBl II 2002, 460. Das gilt auch, wenn der Gesellschaftsvertrag nicht unmittelbar zwischen Angehörigen, sondern zwischen einer GmbH u Angehörigen des/r die GmbH beherrschenden Gesellschafter geschlossen wird (GmbH & atypisch Still): FG BBG v 08.02.2011, EFG 2011, 1335; BFH v 18.12.1990, BStBl II 1991, 581; BMF v 23.12.2010, BStBl I 2011, 37.
- Der BFH hat im Falle einer atypischen stillen Gesellschaft den Standpunkt vertreten, dass eine Familien-PersGes nur dann vorliegt, wenn der Schenker Gesellschafter ist: BFH BStBl II 1989, 1854.
- Unter dem Gesichtspunkt der "Wirtschaftsgemeinschaft" mit übereinstimmenden Interessen sind auch eingetragene Lebenspartnerschaften auf der Basis des G zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften (LebenspartnerschaftsG – PartG), BGBl I 2001, 266 Ehegatten weitestgehend gleichgestellt und deshalb, wenn Sie Gesellschafter einer PersGes sind, den Grundsätzen der Familien-PersGes wie Ehegatten unterworfen. Es gibt zwar für die Partner einer Lebenspartnerschaft keinen gesetzlichen Güterstand, die Partner müssen aber vor Begründung ihrer Lebenspartnerschaft eine Erklärung über ihren "Vermögensstand" abgeben, wobei gesetzlich dabei nur der Vermögenstand der "Ausgleichgemeinschaft" geregelt ist, der auf die Regelung zur Zugewinngemeinschaft verweist (§§ 1371–1390 BGB). Für die analoge Anwendung der Grundsätze der Familien-PersGes auf eingetragene Lebenspartnerschaften auch Carlé/Bauschatz in Korn, § 15 EStG Rz 156.1; Wacker in Schmidt, § 15 EStG Rz 382, 38. Aufl; Wälzholz, DSTR 2002, 333, 336.
Geschwister können wegen fehlender Wirtschaftsgemeinschaft nicht allg als nahe Angehörige iSd Rspr zur Familien-PersGes angesehen werden (so FG Nds v 19.05.2003, EFG 2003, 1457; glA Bordewin, DB 1996, 1359; Friedrich, DB 1995, 1048), da sie...