Rn. 3
Stand: EL 177 – ET: 12/2024
Die einkommensteuerlichen Begriffe "Gewerbebetrieb" und "gewerbliches Unternehmen" in § 15 Abs 1 S 1 EStG und in § 15 Abs 1 Nr 1 S 1 EStG sind Synonyme: BFH v 17.01.1973, BStBl II 1973, 260 zu 1. mit Hinweis auf § 2 Nr 1 S 2 GewStG aF (heute § 2 Abs 1 S 2 GewStG). Eine eigenständige einkommensteuerliche Definition erfuhr der Begriff des Gewerbebetriebs erst durch § 15 Abs 2 EStG: s Rn 1b und im Einzelnen s Rn 117 ff (ergänzend auch s Rn 303 zur Interpretation des "originären" Gewerbebetriebs des Besitzunternehmens bei Betriebsaufspaltung).
Der einkommensteuerliche Begriff "Gewerbebetrieb" ist nicht zugleich einer des Zivilrechts, er ist nicht identisch mit den zivilrechtlichen Begriffen des "Gewerbebetriebs" bzw des "gewerblichen Unternehmens" iSd §§ 1, 2 HGB: BVerfG v 14.01.1969, BStBl II 1969, 389; BFH v 02.11.1971, BStBl II 1972, 360. Hierzu auch Hinweis auf Schmitt, DB 2003, 703. Für Gewerbebetriebe iSd HGB ist die Mitgliedschaft in einer Berufskammer (IHK) obligatorisch.
Auf einen nach außen durch HR-Eintragung gem § 5, 106 Abs 1 HGB, durch die Eigenschaft als Scheinkaufmann bzw durch eine Gewerbeanmeldung oder durch gewerbepolizeiliche Anmeldung gesetzten Rechtsschein kommt es nicht an (s BFH v 09.07.2019, BStBl II 2021, 418; BFH v 04.11.2014 BStBl II 2005, 168 zu II.1. der Begründung); BFH v 05.02.1987, BStBl II 1987, 557). Ist aber insb § 2 HGB erfüllt und Gewinnerzielungsabsicht gegeben, so gilt dies auch als Indiz für das Vorliegen eines einkommensteuerlichen Gewerbebetriebs. Gleiches gilt analog für ein in das HR eingetragenes luf Unternehmen iSv § 3 Abs 3 HGB, das dennoch unter § 13 EStG fällt.
Die §§ 15 ff AktG verwenden den Begriff des "Unternehmens", aber ohne ihn zu definieren.
Der in § 15 Abs 2 EStG aufgenommene einkommensteuerliche Begriff "Gewerbebetrieb" setzt eine bestimmte Anzahl unabdingbarer positiver und negativer Merkmale (s nachfolgend) voraus und ist ein offener Typusbegriff, zu dessen Bestimmung und Abgrenzung wirtschaftliche Faktoren und die Verkehrsauffassung maßgeblich sind, wobei insb das diffuse "Bild des Gewerbetreibenden" heranzuziehen ist, das nach der Verkehrsanschauung einen typischen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist (BFH v 15.01.2020, BStBl II 2020, 538 Rz 22 mit Verweis auf GrS BFH v 10.12.2001, BStBl II 2002, 291 unter C.I. und II und BFH v 09.07.2019, BStBl II 2021, 418 Rz 24).
Unerheblich ist es, ob die Tätigkeit verboten, unsittlich, anfechtbar oder nichtig ist, wenn nur die Beteiligten selbst sich als an das Geschäft gebunden betrachten (zB s Rn 127a "Prostitution" und die §§ 40 und 41 Abs 1 AO).
Die fünf positiven und zwei negativen Merkmale des Gewerbebetriebs iSd EStG sind:
- Selbständigkeit der Tätigkeit, mit der
- Absicht, Gewinn zu erzielen (s § 15 Abs 2 EStG) und
- Nachhaltigkeit (ergänzend s Rn 118–127a),
- Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr
- und – lt Rspr – Überschreitung des Rahmens privater Vermögensverwaltung (s Rn 130),
wenn die Tätigkeit
- weder als Ausübung von LuF (§ 13 EStG)
- noch als Ausübung selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) anzusehen ist.
Vom Gewerbebetrieb iSd GewStG unterscheidet sich der einkommensteuerliche Gewerbebetrieb nur dadurch, dass er früher, dh vor dem werbenden Außenauftritt, beginnt (s Rn 3a und 3b) und auch später, nämlich erst nach Einstellung der werbenden Tätigkeit nach außen, endet: s § 24 Nr 2 EStG. Der Gewerbeertrag ist sowohl der Höhe als auch dem Grunde nach selbstständig zu ermitteln: BFH BStBl II 2004, 699.
Vom Begriff der gewerblichen Tätigkeit iSv § 2 Abs 1 S 1 UStG und vom (stpfl) wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb iSv § 14 AO unterscheidet sich der einkommensteuerliche Gewerbetrieb insoweit, als UStG und AO keine Gewinnabsicht fordern (§ 2 Abs 1 S 3 UStG; § 14 S 2 AO).