Dr. jur. Lukas Karrenbrock
Rn. 348
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Die Entstehung eines Auflösungsverlustes oder eines Auflösungsgewinns iSd § 17 Abs 4 EStG setzt eine zivilrechtliche Auflösung als wesentliches Tatbestandsmerkmal voraus. Von der zivilrechtlichen Auflösung ist die Beendigung der Gesellschaft bzw die Liquidation zu unterscheiden, was für das Entstehen des Auflösungsverlustes/-gewinns jedoch nicht Voraussetzung ist. Die Auflösung ist nicht nur deshalb Voraussetzung, weil vorher die einzelnen Grundlagen des Auflösungsverlustes/-gewinns idR nicht feststehen, sondern vor allem auch, weil der Tatbestand des § 17 Abs 4 EStG die (zivilrechtliche) Auflösung der KapGes erfordert (BFH vom 03.10.1989, VIII R 328/84, BFH/NV 1990, 361; BFH vom 03.06.1993, VIII R 81/91, BStBl II 1994, 162; BFH vom 14.06.2000, XI R 39/99, BFH/NV 2001, 302).
Rn. 349
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Bei der Auflösung wird der ursprüngliche Zweck der Gesellschaft geändert. Der neue Zweck ist das Abwickeln der Gesellschaft. Dabei bleibt die Gesellschaft als wirtschaftliche Einheit weiterhin bestehen (Vogt in Brandis/Heuermann, § 17 EStG Rz 815 (Dezember 2022)). Auch die bisherigen Rechtsbeziehungen bleiben im Wesentlichen unberührt.
Stellt die aktive Gesellschaft hingegen nur ihre Tätigkeit ein, reicht dies für eine Auflösung nicht aus (BFH vom 21.01.2004, VIII R 2/02, BStBl II 04, 551; Levedag in Schmidt, § 17 EStG Rz 216 (42. Aufl)). Auch die Zweckerreichung oder Vereitlung des satzungsmäßigen Zwecks sind keine Auflösungsgründe, ebenso wie Vermögenslosigkeit (vor Löschung der Gesellschaft) oder Überschuldung.
Von der Vollbeendigung spricht man erst, wenn die Gesellschaft die drei Phasen der Auflösung, Liquidation und Löschung im HR durchlaufen hat und die Gesellschaft als Rechtsträger somit erloschen ist.
Rn. 350
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Auflösungsgründe für eine GmbH ergeben sich aus §§ 60–62 GmbHG, danach wird eine GmbH aufgelöst
- durch Ablauf der im Gesellschaftsvertrag bestimmten Zeit (§ 60 Abs 1 Nr 1 GmbHG);
- durch Beschluss der Gesellschafter (§ 60 Abs 1 Nr 2 GmbHG);
- durch gerichtliches Urteil oder durch Entscheidung des Verwaltungsgerichts oder der Verwaltungsbehörde in den Fällen der §§ 61 und 62 GmbHG (§ 60 Abs 1 Nr 3 GmbHG);
- durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens; wird das Verfahren auf Antrag des Schuldners eingestellt oder nach der Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand der Gesellschaft vorsieht, aufgehoben, so können die Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen (§ 60 Abs 1 Nr 4 GmbHG);
- mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist (§ 60 Abs 1 Nr 5 GmbHG);
- mit der Rechtskraft einer Verfügung des Registergerichts, durch welche nach § 399 FamFG ein Mangel des Gesellschaftsvertrags festgestellt worden ist (§ 60 Abs 1 Nr 6 GmbHG);
- durch die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 FamFG (§ 60 Abs 1 Nr 7 GmbHG).
Rn. 351
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Auflösungsgründe für eine AG ergeben sich aus § 262 AktG, danach wird eine AG aufgelöst
Rn. 352
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Vermögenslosigkeit ist gegeben, wenn nach ordentlicher kaufmännischer Betrachtungsweise kein Vermögen mehr vorhanden ist, das als Aktivposten in die Bilanz (unabhängig von Ansatzverboten) aufgenommen werden kann und zur Befriedigung der Gläubiger oder zur Verteilung an die Gesellschafter zur Verfügung steht.
Auch nur ein geringes Vermögen führt nicht zu einer Vermögenslosigkeit. Die Zivilgerichte haben bereits mehrfach die Vermögenslosigkeit verneint bei einem Kontostand von ca EUR 3 000 (OLG Frankfurt vom 10.10.2005, 20 W 289/05, DB 2006, 273; OLG Düsseldorf vom 20.01.2011, 3 Wx 3/11, FGPrax 2011, 134; vgl auch FG Thüringen vom 28.09.2016, 3 K 742/15, DStRE 2017, 1110).
Rn. 353
Stand: EL 167 – ET: 09/2023
Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellt einen der zivilrechtlichen Gründe für eine Auflösung dar. Der Antrag auf Eröffnung ist dafür allerdings noch nicht ausreichend (FG Mchn vom 12.04.2005, 6 K 643/03 rkr). Erst durch die eigentliche Eröffnung des Verfahrens ist zu diesem Zeitpunkt der Auflösungstatbestand vorliegend. Daraus folgend hat auch die Eintragung in das HR keine konstitutive, sondern deklaratorische Wirkung.
Beispiel (in Anlehnung an Deutschländer, NWB 2016, 1747):
M ist der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer der X...