Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 601
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Objektivierung des Bilanzinhalts: Entsprechend der an den Bilanzinhalt notwendig zu stellenden Objektivierungsanforderungen kommt als WG nur eine klar und eindeutig abgrenzbare – greifbare – Einzelheit in Betracht. "Die Greifbarkeit erst erweist das WG" (BFH v 18.06.1975, I R 24/73, BStBl II 1975, 809; vgl auch BFH v 28.03.1990, II R 30/89, BStBl II 1990, 569; BFH v 07.08.2000, GrS 2/99, BStBl II 2000, 632; BFH v 26.10.2004, IX R 53/02, BStBl II 2005, 167; BFH v 05.06.2008, IV R 67/05, BStBl II 2008, 960), sie ist Voraussetzung für eine rechtssichere Gewinnermittlung (Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, § 11, 76 (2003)).
Zitat
"Die Annahme, der Kaufmann gebe kein Geld aus, ohne einen Gegenwert zu erhalten, entbindet nicht von der Feststellung, den Gegenwert zu konkretisieren, wenn dafür ein Aktivposten eingesetzt werden soll"
(BFH v 09.07.1969, I R 38/66, BStBl II 1969, 744).
Bilanzielle Greifbarkeit meint Greifbarkeit im Sinne intersubjektiver Erfassbarkeit und Isolierbarkeit eines Vermögenswertes (Winnefeld, Bilanz-Handbuch, D Rz 42, 5. Aufl (2015)), der Vermögenswert muss "objektiv nachweisbar" (Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, § 10, 73 (2003), "isoliert von anderen WG als Wert feststellbar" (Mellwig, BB 1981, 1812) sein und damit objektiv "individualisiert werden" können (BFH v 28.09.1990, III R 77/89, BStBl II 1991, 361; BFH v 15.07.2004, III R 6/03, BStBl II 2004, 1081), wobei spätestens ein (gedachter) Unternehmenserwerber im Fall der Unternehmensfortführung ein WG als ins Gewicht fallende Einzelheit erkennen (und bei der Kaufpreisbemessung durch ein besonderes Entgelt berücksichtigen, s selbstständige Bewertbarkeit s Rn 606) würde (so ständige Rspr BFH v 18.06.1975, I R 24/73, BStBl II 1975, 809; BFH v 09.07.1986, I R 218/82, BStBl II 1987, 14; BFH v 20.06.1990, I R 160/85, BStBl II 1990, 913; BFH v 17.02.1998, VIII R 28/95, BStBl II 1998, 505). Bei einer (gedachten) Gesamtbetriebsveräußerung muss der Vermögenswert als Einzelheit ins Gewicht fallen, er darf sich nicht ins Allgemeine verflüchtigen, dh nicht lediglich den Geschäfts- oder Firmenwert erhöhen (so bereits RFH v 23.10.1931, VI A 2002/29, RStBl 1932, 305) oder sich als Teil eines anderen WG darstellen (Greifbarkeit und damit WG-Eigenschaft verneint zB für Druckvorlagen zur Herstellung einer Zeitschrift BFH v 18.06.1975, I R 24/73, BStBl II 1975, 809).
Das Objektivierungserfordernis begrenzt WG in bilanziellem Sinne auf intersubjektiv erfassbare, "vergegenständlichte" (Moxter, BB 1987, 1847) Vermögenswerte. Die Grenze der (abstrakten) Aktivierungsfähigkeit eines Vermögenswertes ist damit erreicht, wenn die Greifbarkeit im Sachverhalt fehlt, der Vermögensvorteil für das Unternehmen also nicht hinreichend objektiviert, dh nicht intersubjektiv klar und eindeutig von anderen Vermögenswerten abgegrenzt erfasst werden kann (vgl Westerfelhaus, DB 1985, 886; Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, § 11, 73 (2003)).
Rn. 602
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Während die Feststellung bilanzieller Greifbarkeit bei materiellen Gütern weniger problematisch ist, da die intersubjektive Erfassung/Isolierung als Einzelheit hier bereits angesichts der Körperlichkeit grundsätzlich gut gelingt, ist dies bei immateriellen Gütern bedeutend schwieriger. Hier muss sich letztlich der Wert des Kriteriums zeigen.
Immaterielle Güter in Gestalt von Rechten lassen sich (nicht anderes als materielle Güter) idR bilanziell dadurch greifen, dass ein gedachter Unternehmenserwerber sie im Falle des Unternehmenserwerbs bei der Bemessung des Kaufpreises für das Gesamtunternehmen beachten würde (Baetge/Zülch in HdJ, I/2 Rz 85 (10/2023)). An der bilanziellen Greifbarkeit fehlt es demgegenüber bei rein wirtschaftlichen Vorteilen (zB Werbekampagnen), die als Bestandteile des Geschäfts- oder Firmenwertes bei der Veräußerung des Unternehmens nicht als Einzelheit ins Gewicht fallen.
Rn. 603–605
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
vorläufig frei