Rn. 308
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Inhalt der isolierenden Betrachtungsweise ist die ausschließliche Zuordnung bestimmter Einkünfte zu einer der in § 49 Abs 1 EStG genannten Einkunftsarten anhand der steuerlichen Verhältnisse im Inland (grundlegend BFH BStBl II 1970, 428). Die gesetzliche Verankerung in § 49 Abs 2 EStG erfolgte durch das 2. StÄndG 1973 vom 18.03.1974 (BStBl I 1974, 1489). Zur Rspr von BFH und RFH vor der gesetzlichen Regelung vgl Clausen in H/H/R, § 49 EStG Rz 1201, August 2019.
Aufgrund der isolierenden Betrachtungsweise besteht eine "Priorität des inländischen Sachverhalts bei der Bestimmung der Einkunftsart" (BFH BStBl II 1983, 367), in dessen Folge der sich aus § 49 Abs 1 EStG ergebende Inlandsbezug für eine beschränkte StPfl ausreichend und ausschlaggebend ist. Einzelne ausländischen Besteuerungsmerkmale, dh solche, die nicht (auch) im Inland verwirklicht werden, bleiben außer Acht, wenn "isoliert betrachtet" anhand des im Inland verwirklichten Sachverhalts sich dieser einer Regelung des § 49 Abs 1 EStG zuordnen lässt und nur bei Berücksichtigung der ausländischen Umstände eine beschränkte StPfl entfiele oder aber sich die nach inländischem Steuerrecht einschlägige Steuerart ändern würde (vgl Loschelder in Schmidt, § 49 EStG Rz 141, 41. Aufl; Gosch in Kirchhof/Seer, § 49 EStG Rz 103, 21. Aufl). Besteuerungsmerkmale iSd § 49 Abs 2 EStG sind als "einkunftsqualifizierende Sachverhaltselemente" (vgl Clausen in H/H/R, § 49 EStG Rz 1220, August 2019) zu definieren. Praktische Fälle der isolierenden Betrachtungsweise sind eine ausländische KapGes mit Einkünften aus VuV (BFH BStBl III 1962, 85) oder Einkünfte aus Wertpapieren, die im ausländischen BV gehalten werden (Reimer in Brandis/Heuermann, § 49 EStG Rz 322, EL 162, 5/2022).
Rn. 309
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Die isolierende Betrachtungsweise ist obsolet, wenn auch bei Berücksichtigung der ausländischen Besteuerungsmerkmale inländische Einkünfte vorliegen (BFH BStBl II 2005, 550). Dies ist in einem ersten Prüfungsschritt, der sämtliche inländischen und ausländischen Besteuerungsmerkmale umfasst, zu berücksichtigen. Sodann wird iRd des § 49 Abs 2 EStG entschieden, ob die im Ausland verwirklichten Merkmale zu berücksichtigen sind. Die Einbeziehung ausländischer Besteuerungsmerkmale hat zu erfolgen, wenn sie für die Bestimmung der Einkunftsart nach inländischem Steuerrecht von Bedeutung sind (zB Abgrenzung zwischen selbstständiger und gewerblicher Tätigkeit, vgl BFH BStBl II 1984, 620; zur Feststellung der Einkünfteerzielungsabsicht vgl BFH BStBl II 2002, 861; aA BMF BStBl I 2002, 1394; Clausen in H/H/R, § 49 EStG Rz 1220, August 2019).
Rn. 310
Stand: EL 165 – ET: 06/2023
Zur Anwendung der isolierenden Betrachtungsweise auf die verschiedenen Einkünfte gemäß § 49 Abs 1 EStG vgl Clausen in H/H/R, § 49 EStG Rz 1245 ff, August 2019. Durch die Einführung von Sonderregelungen (zB § 49 Abs 1 Nr 2 Buchst d, f und Nr 9 EStG) wurde die Bedeutung der isolierenden Betrachtungsweise sukzessive abgeschwächt (vgl Reimer in Brandis/Heuermann, § 49 EStG Rz 324, EL 162, 5/2022).