Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Antragserfordernis. Ausschluss der rückwirkenden Leistungsgewährung für Zeiten vor Antragstellung auch für Folgeanträge. keine Wiedereinsetzung in vorigen Stand
Orientierungssatz
1. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden nach § 37 Abs 2 S 1 SGB 2 nicht für Zeiten vor Antragstellung erbracht. Dies gilt auch für Folgeanträge nach Ablauf eines Bewilligungszeitraumes. Ein Antrag auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bleibt nur so lange wirksam bzw wirkt fort, wie über diesen noch nicht entschieden ist bzw so lange wie die Entscheidung über ihn und der ergangene Bewilligungsbescheid Wirkung entfaltet. Die Wirkung des Antrages erlischt daher mit Ablauf des Bewilligungszeitraums.
2. Die Begrenzung der Wirksamkeit eines Antrages auf einen Bewilligungsabschnitt findet ihre Bestätigung auch in der Rechtsprechung des BSG, wonach Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume nicht in analoger Anwendung des § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens werden (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R = BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1).
3. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ausgeschlossen, weil es sich bei dem Antragserfordernis nach § 37 Abs 1, 2 S 1 SGB 2 nicht um eine gesetzliche Frist iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB 10 handelt.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 11.12.2009 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01. bis 25. September 2008.
Mit Bescheid vom 10.04.2008 und Änderungsbescheid vom 29.08.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger zu 1), seiner Ehefrau, der Klägerin zu 2), und deren Tochter, der Klägerin zu 3), Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.03. bis 31.08.2008. Mit Schreiben vom 04.07.2008 übersandte sie den Klägern einen neuen Leistungsantrag und wies darauf hin, dass die Leistungsbewilligung zum 31. August ende. Leistungen könnten frühestens ab dem Zeitpunkt der Antragstellung gewährt werden. Um Leistungsunterbrechungen zu vermeiden, müsse der Weiterbewilligungsantrag rechtzeitig vor Ablauf des aktuellen Bewilligungsabschnitts gestellt werden.
Am 26.09.2008 ging ein Antrag der Kläger auf Weiterbewilligung der SGB II-Leistungen bei der Beklagten ein. Die Beklagte bewilligte den Klägern mit Bescheid vom 29.09.2008 Leistungen für den Zeitraum vom 26.09.2008 bis 28.02.2009 (monatlich 1273,06 Euro; im Zeitraum 26.09. bis 30.09.2008: 212,17 Euro).
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger zu 1) am 20.10.2008 Widerspruch ein. Seiner Ansicht nach seien Leistungen bereits ab 01.09.2008 zu bewilligen, da ein Folgeantrag kein Erstantrag sei und § 37 SGB II somit nicht angewendet werden könne. Ein Folgeantrag stelle dogmatisch lediglich eine erneute Erklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dar, so dass Leistungen durchgängig bewilligt werden müssten. Im Übrigen habe er den Folgeantrag bereits Anfang August auf dem Postweg übersandt. Er beantrage Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 27 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2009 zurück.
Die Kläger haben am 11.03.2009 Klage beim Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) erhoben und beantragt, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auch für die Zeit vom 01.09. bis 25.09.2008 zu bewilligen. Zur Begründung haben sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt.
Das SG hat die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Urteil vom 11.12.2009 abgewiesen. Gemäß § 37 Abs. 1 SGB II würden Leistungen nur auf Antrag erbracht, dies gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 SGB II nicht für Zeiten vor Antragstellung. Das Datum der Antragstellung sei maßgeblich für den Beginn der Leistungserbringung. Dies gelte auch für Folgeanträge. Ein Antrag sei solange wirksam wie das durch ihn begonnene Verwaltungsverfahren nicht durch bestandskräftigen Bescheid oder auf andere Weise beendet sei. Dem vorhergehenden Antrag der Kläger sei mithin Wirkung nur bis zu dem Zeitpunkt zugekommen, zu dem der Bewilligungsabschnitt geendet habe, also dem 31.08.2008. Der Folgeantrag der Kläger sei erst am 26.09.2008 eingegangen, Leistungen somit auch erst ab diesem Datum zu gewähren. Einen vorherigen Zugang hätten die Kläger nicht bewiesen, nicht einmal behauptet. Es bestehe kein Beweis des ersten Anscheins, dass eine zur Post gegebene Sendung den Empfänger auch erreiche. Auch die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs lägen nicht vor. Eine Pflichtverletzung der Beklagten sei nicht ersichtlich. Die Kläger hätten nicht vorgetragen, das Erfordernis einer rechtzeitigen Antragstellung nicht gekannt zu haben, so dass ein weiterer Aufkl...