Kein Widerruf der Stimmabgabe nach Zugang bei Gesellschafterbeschluss im schriftlichem Umlaufverfahren
Die Stimmabgabe im Rahmen einer Gesellschafterversammlung ist nach Zugang nicht frei widerrufbar. Das gilt auch dann, wenn ein wichtiger Grund für die Änderung des Abstimmungsverhaltens vorliegt.
Hintergrund
Die Beklagte ist ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform einer Publikums-Kommanditgesellschaft. Die Gesellschafterversammlung der Beklagten fasste im schriftlichen Umlaufverfahren Beschluss über den Verkauf einer Immobilie.
Die Klägerin focht den Beschluss an. Unter anderem hätten mehrere Gesellschafter noch während der Abstimmungsfrist ihre Stimmen geändert, womit keine satzungsmäßig erforderliche Mehrheit vorliege. Die Stimmabgaben seien bis zum Ende der Abstimmungsfrist widerrufbar, da der Gesellschafterbeschluss erst mit der Stimmauszählung und Verkündung des Beschlussergebnisses zur Entstehung gelange.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das LG u. a. ausgeführt, dass eine Änderung der Stimmabgabe nach Zugang der Stimmerklärung analog § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht möglich sei. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.
Entscheidung
Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Das OLG hat bestätigt, dass eine abgegebene Stimme nach Zugang bei dem Versammlungsleiter nicht frei widerrufbar ist. Dies gelte unabhängig davon, ob ein wichtiger Grund für die Änderung des Abstimmungsverhaltens vorliege. Ein Widerruf der Stimmabgabe nach Zugang der Stimmerklärung sei gem. § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht mehr möglich. Danach könne eine Stimme ausschließlich vor oder gleichzeitig mit dem Zugang der Stimme bei der Gesellschaft widerrufen werden.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Stimmabgabe in einer Abstimmung eine Willenserklärung i. S. d § 130 Abs. 1 BGB. Maßgeblich ist insofern bei einem Umlaufverfahren die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung über den Zugang von Willenserklärungen unter Abwesenden. Danach ist eine Willenserklärung zugegangen, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Entscheidend sei nach dem Senat im konkreten Fall der Zugang beim Versammlungsleiter, der die Gesellschaft nach dem Gesellschaftsvertrag vertrete. Auf den Zugang der Stimme bei den übrigen Gesellschaftern komme es deshalb nicht an.
Die Unwiderruflichkeit der zugegangenen Stimmerklärung leitet das OLG von einem Urteil des BGH vom 13.7.2012, V ZR 254/11 ab. Darin hatte der BGH zu einer Präsenzabstimmung in einer Wohnungseigentümerversammlung entschieden, dass eine Stimmabgabe nach ihrem Zugang beim Versammlungsleiter nicht mehr widerrufen werden kann. Hierfür spreche die Regelung des § 130 Abs. 1 BGB, die auf die Stimmabgabe als unter Anwesenden abgegebene empfangsbedürftige Willenserklärung sinngemäß Anwendung finde. Demnach werde eine Willenserklärung mit ihrem Zugang wirksam und binde den Erklärenden, weshalb ein Widerruf der Erklärung nach § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB ab diesem Zeitpunkt ausscheide.
Das OLG überträgt die Argumentation des BGH auf die Abstimmung im schriftlichen Umlaufverfahren. Auch im schriftlichen Umlaufverfahren sei eine abgegebene und zugegangene Stimme nicht frei widerrufbar. Dass die Abstimmung im Fall des BGH in Präsenz der Wohnungseigentümer erfolgte und nicht – wie im vorliegenden Fall – im Umlaufverfahren, mache nur insoweit einen Unterschied, als die Regelung des § 130 Abs. 1 BGB nun nicht mehr – wie im Fall des BGH – nur entsprechend, sondern, da die Willenserklärung gegenüber Abwesenden abgegeben wurde, unmittelbar Anwendung finde.
Nach dem OLG sei die Klägerin auch nicht anderweitig schutzbedürftig. Es bestehe kein Bedürfnis, die Widerrufbarkeit der Stimmerklärung aus wichtigem Grund zuzulassen. Vielmehr könne die Klägerin ihre Stimmerklärung nach den §§ 116 ff. BGB anfechten. Sollte sich die Tatsachengrundlage nach Abgabe der Stimme geändert haben, bleibe es den Gesellschaftern unbenommen, den gefassten Beschluss abzuändern.