Zuführung zu einem Wertguthaben bei Arbeitnehmern: Wann liegt Arbeitslohn vor?
Arbeitslohn in Form einer Entlassungsentschädigung fließt dem Arbeitnehmer auch dann nicht zu, wenn die Vereinbarung über die Zuführung zu einem Wertguthaben des Arbeitnehmers oder die vereinbarungsgemäße Übertragung des Wertguthabens auf die DRV Bund sozialversicherungsrechtlich unwirksam sein sollten. Das gilt zumindest, soweit alle Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis gleichwohl eintreten und bestehen lassen.
Hintergrund
Mit Betriebsvereinbarung vom 10.12.2010 räumte die Klägerin ihren Mitarbeitern die Möglichkeit der Bildung von Langzeitkonten ein. Die Ansparmöglichkeiten wurden mit weiterer Betriebsvereinbarung vom 13.4.2011 erweitert. Die Klägerin verpflichtete sich, die angesparten Geldbeträge in einer aufgeschobenen Rentenversicherung (Gruppenversicherung) mit stufenweisem Aufbau der Versicherungsleistung gegen laufende Beiträge in variabler Höhe bei der X-Versicherung AG anzulegen. Nach § 5 der Vereinbarung vom 13.4.2011 konnten die Mitarbeiter die Langzeitkonten nur dazu nutzen, um eine vollständige oder teilweise Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung vor der Inanspruchnahme von gesetzlicher Altersrente zu ermöglichen. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Störfall) sollte das Guthaben grundsätzlich in einem Betrag ausgezahlt oder ohne Abzug von Lohnsteuer unter den Voraussetzungen von § 7f SGB IV (Wechsel des Arbeitgebers) auf den neuen Arbeitgeber oder die DRV Bund übertragen werden.
Im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen schloss die Klägerin mit ihrem Betriebsrat am 19.4.2012 mehrere aufeinander aufbauende Rahmenvereinbarungen ab. Mitarbeitern im Außendienst, die aus dem Unternehmen ausscheiden, wurden "Freiwilligen-Abfindungen" angeboten.
Im Sozialplan war u. a. bestimmt, dass der Abfindungsanspruch mit dem Zugang der Kündigung oder mit dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags entstehe und mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig werde. Nach § 11 des Sozialplans konnte der Mitarbeiter seine Abfindung in das Langzeitkonto einbringen. Für diesen Fall bestimmte der Sozialplan, dass die Abfindung in Arbeitsentgeltguthaben und Arbeitgebersozialversicherungsguthaben gesplittet werde.
4 Mitarbeiter beantragten vor Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse – die Arbeitsverhältnisse endeten alle in 2012 –, die Abfindungszahlung ihrem Langzeitguthaben zuzuführen und dieses Guthaben nach Beendigung ihrer Beschäftigung auf die DRV Bund zu übertragen. Diese bestätigte die Übertragung der Langzeitguthaben im Jahr 2013.
Die Klägerin unterwarf die dem Langzeitkonto gutgebrachten Abfindungsanteile nicht der Lohnsteuer.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, die an die DRV Bund gezahlten Abfindungsbeträge seien zu Unrecht nicht dem Lohnsteuerabzug unterworfen worden. Die Abfindungen wären den jeweiligen Arbeitnehmern bei Fälligkeit in 2012 zugeflossen. Es erließ einen Haftungsbescheid nach § 42d Abs. 1 EStG, mit dem es die Klägerin in Anspruch nahm.
Das FG folgte der Auffassung des Finanzamts und wies die Klage ab.
Entscheidung
Der BFH hat entschieden, dass die Lohnsteuer nicht entstanden ist, und eine (akzessorische) Haftung der Klägerin nicht in Betracht kommt.
Die Abfindungen aus Anlass der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sind lohnsteuerrechtlich Arbeitslohn (sonstige Bezüge).
Arbeitslohn ist mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht zugeflossen. Zuflusszeitpunkt ist der Tag der Erfüllung des Anspruchs des Arbeitnehmers, also der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die geschuldete Leistung tatsächlich erbringt.
Gutschriften auf einem Wertguthabenkonto sind noch kein gegenwärtig zufließender Arbeitslohn. Der Anspruch des Arbeitnehmers wird hierdurch nicht erfüllt. Auch der Abschluss der Vereinbarung über die Zuführung von Lohnbestandteilen zu einem Wertguthabenkonto führt nicht zum Zufluss.
Ein Zufluss liegt erst vor, wenn das Wertguthaben unter den vereinbarten Bedingungen an den Arbeitnehmer ausgezahlt wird. Dies gilt auch, wenn das Guthaben gem. § 7f Abs. 1 Satz 2 SGB IV auf die DRV Bund übertragen worden ist. Die Arbeitgeberpflichten treffen die DRV Bund, sobald das Wertguthaben in Anspruch genommen wird.
Im Ausgangspunkt bestand kein Streit zwischen den Beteiligten, dass es sich bei den von der Klägerin für ihre Angestellten eingerichteten Langzeitkonten um steuerlich anzuerkennende Wertguthabenkonten gehandelt habe.
Der BFH führt aus, dass es nach § 41 Abs. 1 Satz 1 AO steuerlich auch nicht darauf ankommt, ob ein Rechtsgeschäft wirksam werde, soweit und sol...