Ambulante Pflege: Warum es die Steuerermäßigung nach § 35a EStG auch für Aufwendungen Dritter gibt
Trägt ein Dritter Aufwendungen für die ambulante Pflege und Betreuung einer Person, kann er die Steuerermäßigung nach § 35a EStG in Anspruch nehmen. Er muss auch nicht Adressat der Rechnungen sein.
Hintergrund
Tochter T vereinbarte im Jahr 2015 mit der Sozialstation die Erbringung von Pflegeleistungen für ihre Mutter M. In dem von T unterzeichneten Vertrag ist M als Leistungsnehmerin aufgeführt. In den Rechnungen der Sozialstation ist sie als Rechnungsempfängerin ausgewiesen. Die Rechnungen wurden an T gesandt und von ihr durch Banküberweisung beglichen.
Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung bei T ab, da die Rechnungen sich nicht an sie richteten, sondern an die M. Nach § 35a Abs. 5 Satz 3 EStG muss jedoch der Steuerpflichtige selbst, das wäre hier T, eine Rechnung erhalten haben.
Auch das Finanzgericht versagte den Abzug. Aufwendungen für die ambulante Pflege und Betreuung von nicht im Haushalt des Steuerpflichtigen, sondern in ihrem eigenen Haushalt lebenden Familienangehörigen sind im Rahmen von § 35a EStG nicht zu berücksichtigen. Andernfalls besteht nach Ansicht des Finanzgerichts ein Wertungswiderspruch zu Aufwendungen für die Pflege in einem Heim (stationäre Pflege), die nur für die eigenen Aufwendungen begünstigt sind.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof entschied dagegen, dass Aufwendungen für die ambulante Pflege- und Betreuung eines Dritten nach § 33a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 EStG begünstigt sind. Eine Rechnung und die Zahlung durch Überweisung sind nicht erforderlich
Begünstigte Leistungen sind personen- wie haushaltsbezogene Dienstleistungen, die zu den im Leistungskatalog der Pflegeversicherung aufgeführten Pflege- und Betreuungsleistungen zählen. Dazu gehören neben sog. Grundpflegemaßnahmen (unmittelbaren Pflege am Menschen) auch Leistungen zur hauswirtschaftlichen Versorgung (Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung).
Die Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme von ambulanten Pflege- und Betreuungsleistungen ist auch dann zu gewähren, wenn die Pflege- und Betreuungsleistungen nicht im eigenen Haushalt, sondern im Haushalt der gepflegten oder betreuten Person ausgeübt oder erbracht werden. Dahingehende Aufwendungen können daher auch von Steuerpflichtigen (z. B. Angehörigen) geltend gemacht werden, die diese Aufwendungen getragen haben.
Die Steuerermäßigung für ambulante Pflege- und Betreuungsleistungen ist auch nicht auf die Kosten für Dienstleistungen beschränkt, die mit denen einer Hilfe im Haushalt vergleichbar sind. Die dahingehende Beschränkung in § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG bezieht sich nach Wortlaut ("soweit") lediglich auf Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen wegen der Unterbringung in einem Heim oder zur dauernden Pflege erwachsen.
Die Steuerermäßigung für Pflege- und Betreuungsleistungen sowie für Aufwendungen wegen Heimunterbringung oder zur dauernden Pflege setzt weder den Erhalt einer Rechnung noch die Zahlung über ein Konto voraus. Diese Voraussetzungen betreffen lediglich die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen oder für Handwerkerleistungen. Die Regelung erstreckt sich daher nicht auf Pflege- und Betreuungsleistungen. Darin liegt kein gesetzgeberisches Versehen. Das Gesetz unterscheidet zwischen "haushaltsnahen Dienstleistungen, die nicht Dienstleistungen nach Absatz 3", d. h. Handwerkerleistungen, sind und "Pflege- und Betreuungsleistungen" sowie "Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen wegen der Unterbringung in einem Heim oder zur dauernden Pflege erwachsen".
Nach § 35a EStG sind nur eigene Aufwendungen des Steuerpflichtigen, die dessen persönliche Leistungsfähigkeit mindern, begünstigt. Zwar hat T die von der Sozialstation zugunsten der M erbrachten und dieser in Rechnung gestellten Leistungen beglichen. Es ist jedoch ungeklärt, ob die T damit eigene Aufwendungen oder Aufwand der M und damit insoweit steuerunerheblichen Drittaufwand getragen hat. Es ist nicht erkennbar, ob die T die Zahlungen auf ihre eigene oder die Schuld der M geleistet hat. Denn ausweislich des Pflegevertrags sind sowohl die T als auch die M als Leistungsnehmerinnen bezeichnet.
Der Bundesfinanzhof verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Dieses hat zu prüfen, ob T den Pflege- und Betreuungsvertrag im eigenen Namen (zugunsten der M) abgeschlossen hat oder ob sie lediglich die M vertreten hat.