Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen gegenüber dem Ehegatten bei der Prüfung, ob ein behindertes Kind dauernd außerstande ist, sich selbst zu unterhalten
Leitsatz (redaktionell)
Beim Ansatz der einem behinderten Kind (rechnerisch) gegenüber seinem Ehegatten zustehenden Unterhaltsansprüche sind bei der Frage, ob ein behindertes Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten und deshalb ein Kindergeldanspruch besteht, diese Unterhaltsansprüche nicht durch etwaige familienrechtlich vorrangige Unterhaltsansprüche von eigenen Kindern dieses Ehegatten zu kürzen.
Normenkette
BGB § 1360a Abs. 3, § 1610a; EStG 2009 § 10 Abs. 1 Nr. 5, § 32 Abs. 3, 4 S. 1 Nr. 3, § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2, § 9a S. 1 Nr. 3; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Streitjahr(e)
2017
Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin für den Monat April 2017 Kindergeld für ein behindertes Kind zusteht.
Die Klägerin ist die Mutter des Kindes A, geb. 1980. Das Kind ist schwerbehindert. Der für das Kind ausgestellte Schwerbehindertenausweis dokumentiert einen Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, Bl, H und RF. Weiterhin bestätigte der Schwerbehindertenausweis durch das Merkzeichen B, dass die Notwendigkeit ständiger Begleitung nachgewiesen ist. Das Kind war im Streitmonat verheiratet und hatte mit seiner Ehefrau drei Kinder. Die Ehefrau des Kindes war berufstätig und erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Das Kind bezog eine Erwerbsunfähigkeitsrente sowie Blindengeld.
Die Klägerin erhielt zunächst laufend Kindergeld für das Kind A.
Der Beklagte forderte die Klägerin im Rahmen einer turnusmäßigen Überprüfung dazu auf, einen aktuellen Nachweis der Behinderung des Kindes vorzulegen sowie nachzuweisen, dass der Sohn infolge seiner Behinderung außerstande ist, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Die Klägerin stellte dem Beklagten die Einnahmesituation der Familie des Sohnes dar. Sie reichte den Schwerbehindertenausweis sowie Einkommensnachweise ein.
Aufgrund dieser Belege gelangte der Beklagte zu der Auffassung, der Sohn sei nicht außerstande, sich selbst zu unterhalten. Mit dieser Begründung hob der Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind ab April 2017 auf.
Die Klägerin legte Einspruch ein. Sie war der Auffassung, ihr stehe weiterhin Kindergeld zu, weil der Sohn aufgrund seiner Behinderung außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Die Berechnung des Beklagten sei unzutreffend, weil diese nicht die Kinderfreibeträge berücksichtige, die dem Sohn und dessen Ehefrau für deren eigene Kinder zustünden. Der Beklagte setze in seiner Berechnung zudem den Unterhaltsanspruch des Sohnes gegenüber seiner Ehefrau zu hoch an. Unterhaltsansprüche gegenüber der Ehefrau habe nämlich nicht nur der Sohn der Klägerin, sondern auch die Kinder des Sohnes hätten Unterhaltsansprüche an die Ehefrau des Sohnes als deren Mutter. Der Beklagte rechne zudem zu Unrecht das Blindengeld des Sohnes zu den Mitteln, mit denen der Sohn seinen Lebensunterhalt bestreiten könne. In seiner Berechnung außer Acht gelassen habe der Beklagte zudem, dass der Ehefrau des Sohnes Fahrtkosten entstanden seien, um den Sohn zum Arzt zu fahren oder auch um andere Termine wahrzunehmen. Ihr Sohn habe etwa fünfzigmal pro Jahr seinen Hausarzt aufgesucht. Auch Aufwendungen im Zusammenhang mit gemeinsamen Urlaubsreisen des Sohnes mit seiner Familie seien zu berücksichtigen, da hierdurch weiterer behinderungsbedingter Mehrbedarf entstanden sei.
Der Beklagte wies den Einspruch der Klägerin durch Einspruchsentscheidung vom April 2017 als unbegründet zurück. Zur Begründung stellte der Beklagte eine neue Berechnung zur Beantwortung der Frage an, ob das Kind außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Dabei ging der Beklagte von einem (jährlichen) Gesamtbedarf des Kindes ab April 2017 in Höhe von xxx € aus. Dieser errechne sich aus dem Grundbedarf, dem behinderungsbedingten Mehrbedarf, dem Blindengeld, den Fahrtkosten (pauschal ohne Nachweis) sowie den Aufwendungen für die Begleitung während der Urlaube (pauschal ohne Nachweis). Als Einkünfte und Bezüge des Sohnes berücksichtigte der Beklagte die Erwerbsunfähigkeitsrente abzüglich einer Werbungskostenpauschale und einer Kostenpauschale sowie daneben das Blindengeld. Dadurch habe das Kind eigene Einkünfte und Bezüge in Höhe von xxx € gehabt. Diesen hinzuzurechnen sei der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seine Ehefrau. Als solcher sei die Hälfte der Differenz zwischen den eigenen Einkünften und Bezügen des Kindes einerseits und dem (höheren) Nettoeinkommen der Ehefrau anzusetzen. Bei der Berechnung dieser Differenz setzte der Beklagte lediglich die Einkünfte und Bezüge des Sohnes aus der Erwerbsunfähigkeitsrente an, nicht hingegen das Blindengeld. Aufgrund eines Nettoeinkommens der Ehefrau errechnete der Beklagte dann eine Einkommensdifferenz. Die Hälfte hiervon setzte der Beklagte als Unterhaltsanspruch des Kindes an und errechnete daraus ein verfügbares Nettoeinkommen des Kindes in Höhe von x...