vorläufig nicht rechtskräftig
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [XI R 17/12)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertrauensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen
Leitsatz (redaktionell)
- Zu den Voraussetzungen der Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung.
- Hat ein Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nicht vorliegen, ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben nicht erkennen konnte.
Normenkette
UStG § 6a Abs. 4, § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b; UStDV § 17a
Streitjahr(e)
2003
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage der Steuerbefreiung von zwei innergemeinschaftlichen Lieferungen, § 4 Nr. 1 Buchstabe b) i.V.m. § 6 a Umsatzsteuergesetz - UStG -.
Die Klägerin betrieb im Streitjahr einen Handel mit Kraftfahrzeugen in der Rechtsform einer GmbH. Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) führte bei der Klägerin für den Veranlagungszeitraum 2003 eine Umsatzsteuersonderprüfung durch. Diese Prüfung beschränkte sich auf den Teilbereich der Prüfung innergemeinschaftlicher Lieferungen nach § 4 Nr. 1 Buchstabe b) UStG.
Im Rahmen der Umsatzsteuersonderprüfung behandelte das FA zwei bis zu diesem Zeitpunkt als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung von Kraftfahrzeugen behandelte Geschäftsvorfälle als steuerpflichtig. Hintergrund der Versagung der Steuerfreiheit waren zwei Mitteilungen des Bundesamtes für Finanzen vom 13.01.2004 und 10.02.2004, nach denen es sich bei den Empfängern dieser innergemeinschaftlichen Lieferungen in Italien um Scheinunternehmen handelte. Es handelte sich hierbei um die Firma T, in X und die Firma E mit angeblichem Sitz in Y. Die Eigenschaft dieser Firmen als Scheinunternehmen ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
An die Fa. T hatte die Klägerin einen Pkw ABC zum Preis von 74.000 EUR (ohne USt) geliefert. Dieses Fahrzeug wurde durch Vermittlung einer Fa. Z bei der Klägerin abgeholt. Als Bevollmächtigter sollte dies durch einen Herrn B geschehen, für den sich die Klägerin eine Kopie des Personalausweises vorlegen ließ. Ob dieser Herr B tatsächlich das Fahrzeug abgeholt hat, ist zwischen den Beteiligten streitig. Die Empfangsbestätigung auf der Rechnung ist mit dem Namen „B” unterschrieben, allerdings weicht dies Unterschrift von der Unterschrift auf der Personalausweiskopie ab. Der Kaufpreis von 74.000 EUR wurde in bar entrichtet.
Der zweite hier streitige Geschäftsvorfall betraf eine angebliche steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung eines Pkw DEF zum Preis von 38.793 EUR. Dieses Fahrzeug sollte am 24.1.2003 von einer Speditionsfirma Z-GmbH bei der Klägerin abgeholt werden. Nach einem entsprechen Schreiben der Fa. E sollte die Rechnung gesandt werden an: Fa. P in Frankreich. Ausweislich des Frachtbriefes der B-GmbH vom 28.1.2003 ist die Fa. P auch Empfänger des Fahrzeugs gewesen. Dieser CMR-Frachtbrief ist von einem Lieferempfänger nicht unterschrieben. In der Rechnung ist demgegenüber die Fa. E in Y, Italien aufgeführt. In der Empfangsbestätigung des Beauftragten der Fa. B GmbH - ein Herr H - heißt es: „Fzg. wird gem. Kaufvertrag vom 15.1.03 ausgeführt”. In diesem Kaufvertrag ist die Fa. E als Käufer aufgeführt. Weitere Ausführungen über einen abweichenden Empfänger finden sich in dem Vertrag nicht. Der Kaufpreis von 38.793 EUR wurde ebenfalls in bar entrichtet.
Das FA behandelte beide Lieferungen als steuerpflichtig. Die Voraussetzungen für die Vertrauensschutzregelung nach § 6 a Abs. 4 UStG sah das FA nicht als erfüllt an. In der Folge erließ das FA einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2003 am 12.07.2004, in dem es die Umsatzsteuer um insgesamt 15.557,65 EUR erhöhte. Das FA hatte dabei aus dem Geschäftsvorfall T einen USt-Betrag von 10.206,90 EUR und aus dem Geschäftsvorfall Fa. E einen USt-Betrag von 5.350,75 EUR aus den Beträgen lt. Kaufverträgen herausgerechnet.
Hiergegen erhob die Klägerin Einspruch, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass entgegen der Auffassung des FA hier die Vertrauensschutzregelung nach § 6 a Abs. 4 UStG einschlägig sei.
Das FA ist diesem Vorbringen der Klägerin in seiner Einspruchsentscheidung vom 29.02.2008 nicht gefolgt. Es hat den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Nach der Rechtsprechung des BFH dürfe nur bei inhaltlich zutreffenden Nachweisen die Steuerbefreiung gewährt werden. Verbleibende Zweifel bei der inhaltlichen Richtigkeit vorgelegter Belege gingen zu Lasten des Steuerpflichtigen. Im Streitfall bestünden im Fall der Lieferung an die Firma T Zweifel daran, ob der wirkliche Abholer tatsächlich der beauftragte Bevollmächtigte Herr B war. Es bestehe hier der Verdacht, dass eine andere Person das Fahrzeug abgeholt habe und dass das Fahrzeug nicht zum Rechnungsempfänger gelangt se...